Ausgezeichneter Empfang

Mitgliederversammlung in Berlin im Februar 2013

mitgliederversammlung_2013

Die einen gerade aus Brasilien zurückgekehrt, die anderen im Aufbruch zum Polarkreis. Das diesjährige Jahrestreffen am 2. Februar in Berlin im ARD-Hauptstadtstudio fand quasi im Transit statt. Und wie immer wenn sich die jn-Organisatoren treffen, sind die Gedanken sowieso in fernen Ländern: Nach Indien soll es in 2013 gehen, an Reisen nach Taiwan, Russland, Ghana, Kuba und Israel wird gearbeitet. In neuer Aufstellung im Vorstand und in den Projektteams kann die Zukunft beginnen! Angestoßen haben wir aber auch auf die vergangenen Projekte: In der Bar „Meisterschüler“ in der Friedrichstraße waren alle Alumni und hoffentlich-bald-Alumni zum Jahresempfang eingeladen.

In Kooperation mit der Otto Sprenger Stiftung wurde beim Jahresempfang auch erstmals der Otto-Sprenger-Preis für Auslandsberichterstattung verliehen. Der Preis soll künftig jedes Jahr auf dem jn-Jahresempfang verliehen werden. Der Preis soll junge Fernseh-Autoren ehren, die sich durch besondere Eigeninitative bei Themenfindung, Recherche und Dreh vor Ort auszeichnen. Besonders gewürdigt werden Leistungen von Journalisten, die noch nicht über ein ausgereiftes berufliches Netzwerk, finanziellen Vorschüsse und juristische Absicherung verfügen. Der erste Preisträger des Otto-Sprenger-Preis für Auslandsberichterstattung ist Darko Jakovljevic (Arte). 


Laudatio von Daniel Brössler (Süddeutsche Zeitung) auf Darko Jakovljevic

„Vor einigen Monaten hat mir Tamara das erste Mal von der Idee erzählt, zusammen mit der Otto-Sprenger-Stiftung einen Preis für Auslandsberichterstattung zu verleihen. Ich fand das eine ziemlich gute Idee, obwohl mir recht schnell klar geworden ist, dass ich da ganz direkt nichts davon haben würde. Tamara hat gleich klar gemacht, der Preis soll erstens an Fernseh- und zweitens an junge Journalisten gehen.

Ich will jetzt hier nicht darüber lamentieren, dass auch im Printbereich Auslandsberichterstattung ziemlich wichtig ist. Beides kann man ohnehin nicht wirklich voneinander trennen. Es gibt Wechselwirkungen. Ganz offensichtliche, wie ich sie als Moskau-Korrespondent der SZ erlebt habe. Diese Wirkung heißt: Wieso haben wir das nicht? Das ist dann passiert, wenn ein Redakteur da etwas in der Tagesschau oder im Weltspiegel gesehen hat und das Gefühl hat, das noch nicht in der Zeitung gelesen zu haben. Offen gestanden war es aber doch oft eher umgekehrt. Fernsehkollegen haben öfter berichtet, mit Themen leichter durchgedrungen zu sein, wenn es vorher in der Zeitung stand. Ganz allgemein bedingt sich das Gewicht der Auslandsberichterstattung gegenseitig. Wenn ein Medium sie reduziert, verfehlt das seine Wirkung auf die anderen Medien mit Sicherheit nicht.

Und was das angeht, ist die Entwicklung zumindest nicht rosig. Es gibt immer weniger Medien, die sich noch große Auslandsnetze leisten und diejenigen die es tun, sehen sich gezwungen, zumindest auszudünnen. Das gilt leider auch für Zeitungen wie die FAZ und die SZ. Ich fürchte, der ökonomische Druck beim teuersten Teil der Berichterstattung zu sparen, wird zunehmen. Für die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender gilt das weniger. Und darf es auch nicht gelten. Umfangreiche Auslandsberichterstattung gehört zu den Dingen, die absolut notwendig sind, den obligatorischen Rundfunkbeitrag zu rechtfertigen. Ich glaube es ist hinlänglich bewiesen, dass vom Privatfernsehen ernst zu nehmende ausführliche Auslandsberichterstattung nur sehr begrenzt zu erwarten ist.

Allerdings spricht Mittwoch, 23:15 als Sendetermin des Auslandsjournals im ZDF nicht gerade für enormen Respekt vor der Auslandsberichterstattung. Die Themen der letzten Sendung übrigens auch nicht: Kinderschönheitswettbewerbe in den USA, Salafisten in Europa, der Trend zur Zweit- und Drittfrau in Kasachstan und natürlich das obligate Tierthema, diesmal Schlittenhunde in Alaska. Da ist schon das zu sehen, was Sonia Mikitisch mal so formuliert hat: „Ausland muss knallen – dramatisch oder bunt“.

Es ist nicht so, dass es nicht auch viele Gegenbeispiele gäbe – eines soll ja hier heute Abend ausgezeichnet werden. Aber ich glaube schon, dass es einen langen Trend gibt, sich weniger für das zu interessieren, was um Deutschland herum passiert. In den Jahren bis 2008, als ich noch Auslandskorrespondent war, hatte ich ja nur eine Ahnung davon, wie wichtig das alles ist, was hier in Berlin passiert. Jetzt weiß ich es. Aber ernsthaft: Berlin ist ein absolutes Machtzentrum in Europa. Es wird in jedem Fall von den Menschen in den Ländern, aus denen Darko Jakovljevic für Arte berichtet, so empfunden. In Ungarn, der Slowakei, Tschechien oder auch Bulgarien. Die Aufmerksamkeit ist aber asymmetrisch. Politische Interessierte in Mittelosteuropa sind gezwungen, sich mit Deutschland zu beschäftigen, umgekehrt wird diese Verpflichtung keineswegs so gesehen. Neben dem zwingenden Brennpunktjournalismus (Israel, Ägypten etc) und der Krisenberichterstattung (Euro, Euro, Euro) ist auf dem Aufmerksamkeitsmarkt nicht mehr viel zu holen. Schon gar nicht für scheinbar ruhige Länder in der Nachbarschaft wie Tschechien und Ungarn.

Das macht die Arbeit von Darko Jakovljevic so wichtig. Er behandelt die Menschen, in seinen Berichterstattungsländern als das, was sie sind – nämlich Nachbarn. Er lässt zum Beispiel Tomas Engel zu Wort kommen, einen tschechischen Arzt der 80 Überstunden im Monat macht, um auf 1000 Euro Gehalt zu kommen. Oder den ungarischen Journalisten György Bolgar, der beschreibt, wie schwierig es ist, einen unabhängigen liberalen Radiosender zu betreiben, wenn nacheinander alle Werbekunden abspringen, um nicht anzuecken. Zu sehen waren dank Jakovljevic auch ungarische Kinder, die auf einem Ferienlager der rechtsextremen Jobik-Jugend vom Granatwerfen schwärmen. Gezeigt hat er auch Radina Valchewa aus Bulgarien, die sch ein Kind wünscht und in Ungnade ihrer ortodoxen Kirche gerät, weil sie sich für künstliche Befruchtung entscheidet. Das alles knallt vielleicht nicht sofort, ist aber spannend und eben ein Teil Europas, den man als deutscher oder französischer Zuschauer auch sehen können sollte.

Darko Jakovljevic ist dafür der richtige Mann, weil er sich gründlich mit der Region beschäftigt hat, die Problem und Gefahren dort ernst nimmt, sich die Mühe macht, diese Länder zu erklären und sich vor Klischees hütet. Ich freue mich, dass das durch den Otto-Sprenger-Preis gewürdigt und ausgezeichnet wird. Herzlichen Glückwunsch!“


Interview mit dem Preisträger Darko Jakovljevic

Sie haben etliche Reportagen in Mittelosteuropa für den Sender arte gedreht. Unser Preis zeichnet nicht eine bestimmte Ihrer Reportagen aus. Trotzdem möchten wir gerne wissen: Welche Reportage ist Ihnen selbst am wichtigsten?

Gar nicht so einfach zu sagen; wichtig sind sie mir alle. Aber das Ferienlager in Ungarn, in dem Kinder unter Anleitung von Rechtsextremisten den Umgang mit Waffen und Handgranaten lernen, das war schon bizarr. In Ungarn ist es allerdings kein Geheimnis, was da passiert. Aber es wird geduldet, von der Regierung sogar verharmlost. Und auch die Eltern, die ihre Kinder in solche Sommercamps schicken, wissen sehr genau, was sich dort abspielt. Dabei ist Waffenkunde nur ein Punkt auf dem Programm, das insgesamt ein Ziel hat: Großungarn-Drill, natürlich spielerisch aufbereitet. Nach Hause mitnehmen sollen die Minderjährigen, was einen „echten Ungar“ ausmacht und was nicht. Roma und Juden werden dabei gezielt diffamiert. Hinter den Camps steht die rechtsextreme Jobbik-Partei. Für die Kinder sind das coole Typen.

Eine Ihrer Reportagen heißt „Menschenschmuggel: Durch Serbien“. Wie recherchiert man solch ein Thema?

In Serbien ist das Thema Flüchtlinge recht präsent, vor allem auch, weil es Assoziationen zu den Flüchtlingsschicksalen der 1990er Jahre weckt, als Menschen aus Kroatien und Bosnien Zuflucht in Serbien suchten. Für Flüchtlinge war damals ein neu gebautes Aufnahmezentrum nahe der bosnischen Grenze die erste Anlaufstelle. Und heute steuern wieder Flüchtlinge dieses Haus an: Menschen aus Afghanistan, Syrien und anderen Brennpunkten der Welt. Für mich war deshalb dieses überfüllte Haus der Ausgangspunkt der Recherche. Dort herrschte ein Kommen und Gehen. Und diejenigen, die gehen, begeben sich meist in die Hände von Schleusern, die sie über die serbisch-ungarische Grenze in die EU bringen sollen. Und das immer gegen Vorkasse. Oft aber misslingen Fluchtversuche. In vielen Fällen schickt dann Ungarn die Menschen wieder zurück nach Serbien. Ich denke, nach dem EU-Beitritt Kroatiens dürfte der Menschenschmuggel aus Serbien weiter zunehmen. Die neue EU-Außengrenze bedeutet für Flüchtlinge in Serbien neues Glück. Und für die Schleuser eben noch mehr Profite.

Wie sind Sie Journalist geworden?

Ohne viele Umwege, würde ich sagen. Nach dem Abitur habe ich mein erstes Praktikum beim Fernsehen gemacht, bei einer Auslandskorrespondentin. Und ich wusste: Das will ich machen. Ich habe dann Politik und Journalistik studiert und immer wieder Praktika im Ausland gemacht. Letzen Endes hat mir ein Journalistenstipendium den Einstieg in die Auslandsschiene verschafft. Als Korrespondent für Arte bin ich seitdem in Mittel- und
Südosteuropa unterwegs, um von dort zu berichten.

Woran arbeiten Sie zurzeit?

Zurzeit recherchiere ich für eine Reportage in Albanien: In der nach wie vor sehr patriarchalen Gesellschaft ist vor allem männlicher Nachwuchs erwünscht. Viele Kliniken ermöglichen deshalb die gezielte Abtreibung
von Mädchen. Ich versuche schon länger Familien zu finden, die bereit sind, darüber vor der Kamera zu sprechen.