Rückzug Israels – Geburtsstunde Palästinas?

Recherchereise nach Israel und Palästina im November 2004

Wie geht es weiter nach Arafats Tod? Diese Frage wurde zur unvorhergesehenen neuen Überschrift für das Programm von journalists.network in Israel/Palästina 2004. Am 11. November 2004 starb Yassir Arafat, und einen Tag später landete die Lufthansa-Maschine mit 14 deutschen Journalisten in Tel Aviv – zeitgleich mit den Hubschraubern, die Arafats Leichnam von Paris nach Ramallah brachten. Zur Beerdigung kam die Gruppe zwar zu spät, dennoch hatten etliche Kollegen auch in den folgenden Tagen noch die Gelegenheit, aktuell zu berichten.

Höhepunkt der Reise war dementsprechend der Tag in Ramallah: Nach einem Besuch an Arafats Grab in der Mukata gab der deutsche Botschaftsvertreter der Gruppe eine aktuelle Einschätzung der Lage. Ein Besuch bei der Wahlkommission machte die komplizierte Durchführung der Präsidentschaftswahlen etwas durchsichtiger, und der PLO-kritische Kandidat Mustafa Barghouti erläuterte sein Wahlprogramm. Am eindrucksvollsten war jedoch die Atmosphäre in den Straßen, wo die Um- und Aufbruchstimmung deutlich zu spüren war

Das ursprünglich geplante Thema der Reise – die einseitigen Maßnahmen Israels zum Rückzug aus den besetzten Gebieten – blieb ein Schwerpunkt des Programms: Der Zaun bzw. die Mauer wurde sowohl aus israelischer wie auch aus palästinensischer Perspektive besichtigt, und Regierungsvertreter erläuterten den Gaza-Abzugsplan. Darüber hinaus lernten die deutschen Journalisten sowohl die kompromisslose Haltung der Siedler von Gush Katif als auch den Gewissenskonflikt der Soldaten in Gaza kennen.

Zur Halbzeit der Reise zog die Gruppe wie schon bei früheren Reisen von Jerusalem nach Tel Aviv um, was nach fünf anstrengenden Tagen einen Energieschub mit sich brachte – auch für die Ausweitung der Gruppenaktivitäten auf die Nächte. Abgesehen vom Nachtleben in Tel Aviv wurde das Programm touristisch angereichert durch die Teilnahme an einem Synagogen-Gottesdienst mit anschließendem Sabbat-Dinner sowie eine Exklusiv-Führung durch Felsendom und Al-Aksa-Moschee in Jerusalem.

Trotz der angespannten Sicherheitslage fuhren einige Teilnehmer in der freien Recherchezeit nach Gaza und in die israelischen Siedlungen, um auf eigene Faust ihren Geschichten nachzugehen. Dank der Betreuung durch erfahrene israelische Mentoren, die zuvor selbst am Austauschprogramm von journalists.network in Deutschland teilgenommen hatten, konnte am Ende jeder Mitreisende mindestens einen eigenen Beitrag veröffentlichen oder senden.

Der Austausch mit den israelischen Kollegen war wie in den vergangenen Jahren wieder besonders intensiv. Doch auch bei den Treffen mit palästinensischen Journalisten und mit den deutschen Korrespondenten konnten Kontakte geknüpft werden, die über die Reise hinaus für die journalistische Beschäftigung mit Nahost wertvoll bleiben.