Holzvertäfelte Salons und ausbrannte Ruinen

Recherchereise in die USA im August 2017

Text: Jörg Wimalasena – Fotos: David Ehl und Peter Neitzsch

Zehn Monate ist es nun her, dass die US-amerikanischen Bürger den populistischen Milliardär Donald Trump zum Präsidenten wählten. „Die Zeit des amerikanischen Gemetzels endet genau jetzt“, ließ der Immobilienmogul bei seinem Amtsantritt im Januar wissen. Das Land werde erneuert und der politische Kurs der USA und der Welt auf Jahre verändert.

Mitte August machten sich zwölf junge Journalisten im Rahmen einer von journalists.network organisierten Reise auf den Weg über den Atlantik. Zwischen holzvertäfelten Pressesalons in Washington DC, verlassenen Wohnvierteln in Detroit und kubanischen Enklaven in Miami suchten sie nach den Spuren, die Donald Trumps Präsidentschaft in der US-Gesellschaft hinterlassen hat. Im Fokus standen ethnische und religiöse Minderheiten, Klimawandelfolgen sowie die deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Kampf gegen den Untergang

Den ersten Halt machte die Reisegruppe in Miami. Während die US-Regierung Umweltschutzregulierungen zurückdreht und im Juni den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen bekannt gab, kämpft die Touristenmetropole im Süden Floridas im Wortsinn gegen den Untergang. Wegen des Klimawandels steigt der Meeresspiegel. Der berühmte Strandort Miami Beach und das Naturschutzgebiet Everglades drohen dauerhaft überspült zu werden. Die Stadtverwaltung lässt deshalb in Teilen von Miami Beach das Straßenniveau anheben, um den ständigen Überflutungen Herr zu werden. Kaum jemand zweifelt hier daran, dass der Klimawandel von Menschen verursacht wurde.

Im Rahmen eines Briefings bei der Florida Immigrant Coalition schilderte der selbst illegal eingewanderte Aktivist Julio Calderón die Härten des Lebens als „undocumented immigrant“ in den USA. Ohne Krankenversicherung arbeiten Millionen Illegale zu Hungerlöhnen – jeder Behördenkontakt kann die Abschiebung bedeuten. Seit Donald Trump Präsident ist, nimmt der Druck auf die Kommunen zu, illegale Einwanderer den Bundesbehörden zu übergeben.

Während viele Latinos Trump wegen seiner Hetzreden gegen lateinamerikanische Einwanderer ablehnen, genießt der US-Präsident bei den Dominospielern im Maximo Gomez Park Zustimmung. Die kubanische Diaspora in Little Havanna begrüßt seine vermeintlich harte Kuba-Politik. Doch die Gemeinschaft ist gespalten: Junge Kubaner interessieren sich mehr für soziale Fragen als für die Kuba-Politik der US-Regierung.

Klagen über zunehmende Ressentiments

Bei Besuchen in einer jüdischen Gemeinde und einer multiethnischen Moschee konnte die Gruppe Einblicke in das Leben religiöser Minderheiten in den USA gewinnen – auch im weiteren Verlauf der Reise standen immer wieder Besuche bei Glaubensgemeinschaften an. Die Religionsvertreter zeigten sich besorgt über den Einfluss von Trumps muslimenfeindlicher Rhetorik auf den interreligiösen Dialog. Muslimische und jüdische Gemeinden klagten über zunehmende Ressentiments.

Von der Latino-Metropole Miami ging es dann nach Washington DC – in ebenjenen „Sumpf“, den der US-Präsident gerne austrocknen will. Mit Vertretern von Think Tanks und Forschungseinrichtungen diskutierten die Reiseteilnehmer über deutsch-amerikanische Beziehungen, Umweltschutz und Minderheitenrechte. Der deutsche Gesandte in Washington DC, Boris Ruge, sprach über die diplomatischen Beziehungen zu den US-Kollegen, während deutsche Industrievertreter über die Handelsbeziehungen beider Länder informierten.

Ein Highlight war der Redaktionsbesuch bei der Washington Post. Dort erfuhren die Teilnehmer von den Politikredakteuren des Hauptstadtblatts aus erster Hand, wie Journalisten versuchen, die Arbeit eines ungewöhnlichen Präsidenten für die Öffentlichkeit zu dokumentieren. Auch deutsche Korrespondenten gaben in Washington Einblick in Ihre Arbeit. Dank einer Kooperation mit dem Journalisten-Netzwerk Hostwriter konnten die Teilnehmer auch bei amerikanischen Kollegen übernachten und so Kontakte knüpfen.

Besuch in der Industriemetropole Detroit

Nur wenige Blocks vom Politikbetrieb der Hauptstadt entfernt, betreibt die Casa Ruby ein Obdachlosenasyl speziell für die LGBT-Community. Dort ging es unter anderem um die Frage, wie sexuelle Minderheiten die Trump-Präsidentschaft erleben. Nach einer Vielzahl von Terminen gönnten sich die Teilnehmer schließlich auch ein wenig Freizeit – bei einem American-Football-Spiel zwischen den Green Bay Packers und den Washington Redskins (Endstand 21:17).

Von Washington ging es weiter zum letzten Halt der Reise – die gebeutelte Industriemetropole Detroit im Süden Michigans. Donald Trump gewann den Staat wie Florida knapp gegen Hillary Clinton, doch Detroit stimmte größtenteils gegen Trump. Die Stadt ist geprägt von verlassenen Wohnhäusern und Fabriken. Straßen und Infrastruktur sind heruntergekommen. Der Niedergang der Autoindustrie seit den Ölkrisen der 70er macht sich hier besonders bemerkbar, verstärkt noch durch die Finanzkrise ab 2008.

Im besonders armutsgeprägten, von Schwarzen bewohnten Stadtviertel Osborn versucht die Osborn Neighborhood Alliance, wenigstens einige der zahlreichen verlassenen Häuser wieder bewohnbar zu machen und armen Familien zur Verfügung zu stellen. Ein schwieriges Unterfangen angesichts knapper Finanzen.

Treffen mit Anhängern von Donald Trump

Auch in Detroit ging es um das Thema Religion. Neben einem Besuch bei einer evangelikalen Gemeinde stand ein Ortstermin in Hamtramck auf dem Programm. Die an Detroit grenzende Kommune mit seinen knapp 22.000 Einwohnern wird weitestgehend von Einwanderern aus Jemen, Pakistan und Bangladesch bewohnt. 2015 gewann die Stadt nationale Aufmerksamkeit, weil Muslime zum ersten Mal die Mehrheit im Stadtrat stellten. Im Gespräch mit Anwohnern erfuhren die Journalisten, wie das interreligiöse und ethnische Zusammenleben im „Melting Pot“ Hamtramck funktioniert.

Doch die Detroit-Region ist auch ein wichtiger Technologie-Standort. Der deutsche Automobil-Zulieferer Continental ließ journalists.network an seinem Forschungsstandort in Auburn Hills einen Blick auf seine neuesten Entwicklungen werfen. Unter anderem lassen sich Fahrzeuge mit der Continental-App nun per Smartphone öffnen und die Fahrgeschwindigkeit an die Ampelschaltung anpassen.

Bei einem Treffen mit einer Gruppe „Young Republicans“ in Royal Oak konnten sich die Teilnehmer mit Anhängern Donald Trumps unterhalten und miterleben, wie die politische Kultur der USA auf lokaler Ebene funktioniert. Nebenbei bot sich die Gelegenheit, dem ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs von Michigan, Bob Young, Fragen zu stellen. Young will bei der Wahl 2018 für die Republikaner in den US-Senat einziehen.

Nach zwölf anstrengenden Tagen hieß es Abschied nehmen. Ein eindeutiges Fazit lässt sich angesichts der vielen unterschiedlichen Eindrücke kaum ziehen. Während viele Gesprächspartner Donald Trump als vorübergehendes politisches Phänomen mit geringem politischen Einfluss betrachten, sehen andere in ihm den Vorboten eines heraufziehenden Kulturkampfes. Deutlich wurde jedoch die tiefe strukturelle Teilung des Landes: Den glänzenden Lobbys der Bürogebäude in Washington DC, mit ihren hochgebildeten und weltmännischen Anliegern steht ein Amerika gegenüber, das von Wohlstand und Bildung ausgeschlossen scheint. Doch eben dieses Spannungsfeld bietet Raum für Berichterstattung. Und so machten sich die zwölf Journalisten mit einer Vielzahl spannender Reportage für ihre Heimatredaktionen auf den Rückweg nach Deutschland.

Die Recherchereise in die USA wurde organisiert von Miriam Olbrisch (Der SPIEGEL), Peter Neitzsch (freier Journalist) und Roland Peters (n-tv.de). Unterstützt wurde journalists-network dabei von Hostwriter und insbesondere Felix Franz.

journalists.network bedankt sich bei den Förderern: Continental, Henkel, Bayer, Hochtief und der August Schwingenstein Stiftung, die diese Reise möglich gemacht haben. Weitere Informationen finden sich auch auf Twitter und Facebook – unter dem Hashtag #jnusa.