Nachhaltigkeit und faire Löhne

Recherchereise nach Ghana im Oktober 2015

Text: Nadine Kreuzahler

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Foto: Florian Schweer

Ghana gilt als Vorzeige-Land West-Afrikas – anders als Nachbarländer wie die Elfenbeinküste oder Burkina Faso konnte Ghana die Armut im Land seit 2000 deutlich reduzieren, es gibt Fortschritte bei der Schulbildung und im Kampf gegen Aids. Aber wie sieht die Realität im Land aus?

Um das herauszufinden, sind wir vom 6. – 18. Oktober 2015 mit einer Gruppe von 12 Journalisten nach Ghana gereist – auf den Spuren der „Sustainable Development Goals“. Die Vereinten Nationen möchten damit bis 2030 Hunger und Armut überall auf der Welt beseitigen, allen Menschen Zugang zu sauberem Wasser und kostenlose Grundschulbildung ermöglichen, umweltschonende Energien ausbauen und die Wirtschaft nachhaltig weiterentwickeln. Wir wollten wissen: Wie wirken sich Vereinbarungen und Proklamationen der Vereinten Nationen aus? Wo hakt es? Wo liegen die Schwierigkeiten, wo zeigen sich Missstände, wo sind aber auch Chancen und Erfolge zu erkennen?

Unsere erste Station ist die Hauptstadt Accra. Hier haben wir Experten aus der Wirtschaft und dem Energiesektor getroffen, um über die seit Jahren andauernde Energiekrise und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft zu sprechen und darüber, warum Ghana bisher nur 1 % seines Stroms aus erneuerbaren Energien bezieht.

Um die Auswirkungen des Klimawandels geht es bei einem Treffen im Landwirtschaftsministerium. Außerdem haben wir die Gelegenheit, mit der „Bamboo Bikes Initiative“ und dem Projekt „Trashy Bags“ zwei Beispiele für nachhaltige, soziale Wirtschaft kennenzulernen. Wir sprechen mit Ghanaern, die als Fachkräfte nach einigen Jahren Studium und Berufserfahrung in Deutschland wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind, über ihre Erfahrungen hier und dort. Bei einem spannenden Abendessen mit einheimischen Journalisten erfahren wir, wie schwer es in Ghana oft ist, unabhängigen Journalismus zu machen. Da die Medien schlecht oder gar nicht zahlen, verschwimmen die Grenzen zur Öffentlichkeitsarbeit oft bis zur Unkenntlichkeit.

Unsere zweite Station ist Kumasi, rund 250 Kilometer nördlich von Accra gelegen und mit fast anderthalb Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Ghanas. Wir besuchen die Kakao-Plantage einer Kooperative, die sich für faire Löhne und Arbeitsbedingungen einsetzt. Bei einem Treffen mit den Bauern erzählt uns der Dorfälteste von seinen Sorgen über Wetterveränderungen und schlechte Kakao-Ernten. In den folgenden drei Tagen treffen wir Umweltaktivistinnen, besuchen verschiedene Projekte der Hilfsorganisation „World Vision“ und lernen die Forschungslabore des KCCR kennen – des „Kumasi Centre For Collaborative Research in Tropical Medicine“. Hier wird vor allem zu Ebola und Tropenkrankheiten wie Malaria geforscht. Malaria ist immer noch eine der häufigsten Haupt-Todesursachen in Ghana.

Dritte Station unserer Reise ist die Stadt Tamale in der Northern Region, der ärmsten Region des Landes. Wir treffen Munkaila Aminu, der mit seiner NGO „African Development Organisation for Migration“ junge Menschen von der gefährlichen Flucht über Libyen nach Europa abhalten möchte. Denn mehr als die Hälfte der Menschen in Ghana sind unter 30 Jahre alt, ein Viertel der Bevölkerung lebt immer noch unter der Armutsgrenze. Viele nehmen deshalb das hohe Risiko einer Flucht in Kauf. Munkaila Aminu will das ändern: Die Geschichten seiner eigenen gescheiterten Fluchtversuche setzt er dabei zur Abschreckung ein.

Nach einem Abstecher in den Mole Nationalpark für die einen, und nach Bolgatanga an der Grenze zu Burkina Faso für die anderen, geht es zurück nach Accra. Hier stehen die letzten Termine an, u.a. ein Treffen mit der Ghana Aids Commission. 2020 sollen 90% aller HIV-Infizierten in Ghana von ihrer Infektion wissen. Heute sind es nur ca. 55%.

Neben diesen gemeinsamen Recherchen hat sich jeder aus unserer Gruppe außerdem Zeit genommen, um über eigene Themen zu recherchieren. Etwa über die Musikindustrie in Ghana und die Rolle der Kreativindustrie für die Wirtschaft, über das Tabu von Homosexualität, die Rolle der Kirchen im Land, über Krebsvorsorge und -forschung, Klimaflüchtlinge oder die Kakaoproduktion. Aber natürlich haben wir auch nicht nur gearbeitet: Neben den vielen spannenden Terminen haben wir auch einige Bars ausprobiert und gelernt, das Nationalgericht „Fufu“ mit den Händen zu essen…

Die Reise wurde organisiert von den freien Journalisten Dirk Liesemer und Lennart Laberenz. Finanziell unterstützt wurde sie vom New Venture Fund, WorldVision und Air France.