Ukraine: „Nicht nur eine Krise“

Hintergrundgespräch mit Vladimir Esipov am 8. Februar 2015 in Berlin

Vladimir Esipov
Fotos: Michael Stürzenhofecker

Spätestens seit dem Ausbruch der Ukraine-Krise ist offensichtlich, dass Russland und den Westen derzeit politisch mehr trennt als verbindet. Das Verhalten Wladimir Putins gibt vielen in Europa und Amerika Rätsel auf. Was treibt ihn an? Wohin steuert er Russland?

Auskunft darüber gab Vladimir Esipov, Chefredakteur von GEO-Russland, in einem Hintergrundgesprach für journalists.network. Esipov gehört zu den ersten Organisatoren einer JN-Recherchereise (1995 nach Moskau). Bevor er 2008 die Leitung der russischen Ausgabe von GEO übernahm, arbeitete er für Die Zeit und die ARD in Moskau. Er ist Absolvent der Henri-Nannen-Schule. Die Diskussion wurde moderiert von unseren Vorstandsmitgliedern Jenny Marrenbach und Michael Stürzenhofecker.

Kaum ein Thema wird derzeit kontroverser diskutiert als Russland und die Ukraine-Krise. Dass man statt einer Ukraine-„Krise“ besser von „Krieg“ sprechen sollte, erklärte journalists.network-Alumni Vladimir Esipov in einem Hintergrundgespräch am 8.2.2015. Westliche Medien hätten den Konflikt sowie innere Vorgänge in Russland wie die Einschränkung von Freiheiten zu lange nicht ernst genug genommen und sich in der Berichterstattung zurückgehalten, kritisiert er. Man müsse aber die Dinge beim Namen nennen.

Zu einem besseren Verständnis gehöre allerdings auch, genauer hinzuschauen und nicht nur Verlautbarungen aus dem Kreml wiederzugeben. Immer wieder werde auch in westlichen Medien angeführt, dass Russland sich durch die Ausbreitung der Nato bedroht fühle. Dieses Argument habe er bisher noch nie auf der Straße gehört, sagt Esipov. Dort fühle man sich eher von der Inflationsrate oder von Arbeitslosigkeit bedroht.

Tadschikische Teestube
Esipov leitet seit 2008 als Chefredakteur die GEO-Ausgabe in Russland, zuvor berichtete er für DIE ZEIT und die ARD aus Russland. Er selbst habe als Journalist dort noch nie Repression erfahren, kenne aber Kollegen, denen das so erging. Russische Staatsmedien verfolge er wie viele seiner Freunde schon lange nicht mehr. Allerdings sei es nur eine kleine liberale Minderheit in den großen Städten, die sich alternativ informiere und nicht nur auf die großen Sender vertraue.

Heute werde gern vergessen, dass sich Russen sehr wohl für Europa interessierten. GEO-Ausgaben über Städte in Europa verkauften sich in Russland deutlich besser als Titel über Ziele aus dem eigenen Land. Dabei dürfe man allerdings nicht vergessen, dass die meisten Russen sich eher für Architektur, Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie oder Nachtleben in europäischen Städten interessierten und weniger für Freiheitsrechte.