Serbien und Kosovo am Scheideweg

Recherchereise im Oktober 2006

Serbiens Präsident Boris Tadic mit der jn-Gruppe in Belgrad. Beim Gespräch im Präsidialamt erkannte Tadic offen an, dass das Kosovo für Serbien nicht zu halten ist

Serbiens Präsident Boris Tadic mit der jn-Gruppe in Belgrad. Beim Gespräch im Präsidialamt erkannte Tadic offen an, dass das Kosovo für Serbien nicht zu halten ist.

Im Februar 2006 begannen in Wien unter Vermittlung der Vereinten Nationen Verhandlungen zwischen Serben und Albanern über den künftigen Status des Kosovo. Chefunterhändler Ahtisaari wollte bis Ende des Jahres die Weichen stellen. Doch das Verfassungsreferendum und Neuwahlen in Serbien verzögerten den Prozess.

In genau jener politischen Gemengelage reiste die jn-Gruppe von zwölf Redakteurinnen und Redakteuren aus Deutschland und der Schweiz zunächst nach Belgrad. Dort fanden nicht nur Gespräche auf hoher politischer Ebene statt, etwa mit Präsident Boris Tadic oder dem Koordinator für die Wiener Verhandlungen, Slobodan Samardzic; die Gruppe traf auch bekannte Menschenrechtler wie Natasa Kandic und Sonja Biserko und die Vertreterin des Haager UN-Tribunals sowie internationale Wirtschaftsvertreter. Zur Reportage fuhren die Kollegen zu Flüchtlingsunterkünften in der Stadt Obrenovac, in denen Serben aus dem Kosovo seit Jahren unter widrigsten Umständen leben.

Die jn-Gruppe vor der Brücke von Mitrovica. Der Übergang zwischen dem serbischen Norden und albanischen Süden ist ein Symbol für den Konfliktherd Kosovo

Die jn-Gruppe vor der Brücke von Mitrovica. Der Übergang zwischen dem serbischen Norden und albanischen Süden ist ein Symbol für den Konfliktherd Kosovo.

Von Belgrad aus ging es in einer mehrstündigen Bustour ins Kosovo. Gespräche mit Unmik-Chef Joachim Rücker und Präsident Fatmir Sejdu machten klar, wie verhärtet die Fronten sind. Eine Reportagefahrt in die albanisch-serbische Gemeinde Novo Brdo zeigte, wie stark Belgrad seine Minderheit im Kosovo zu instrumentalisieren versucht. Abendessen in Pristina mit Studenten und internationalen NGO-Leuten gaben die Gelegenheit, die Situation mit noch anderen Augen zu sehen.

Letzte Station der jn-Reise war Mitrovica, die geteilte Stadt in Nord-Kosovo. Besonders die Treffen mit dem orthodoxen Priester und dem Imam von Mitrovica machten allen Teilnehmern klar, dass der Kosovo-Konflikt keinesfalls in nächster Zukunft lösbar sein wird.

Die Reise wurde von Stefanie Bolzen (Die WELT) und Anne Walkembach (ZDF) organisiert und begleitet. Gefördert wurde sie von der Robert Bosch Stiftung und Germanwings.