Feuerprobe für Orange

Recherchereise in die Ukraine im März 2006

ukraine_2006_bild1

Eineinhalb Jahre nach der weltweit beachteten „orangenen Revolution“ reiste journalists.network im März 2006 mit einer Gruppe polnischer und deutscher Journalisten in die Ukraine. Die Teilnehmer erlebten ein Land in einer aufregenden Umbruchphase: Das Lager der Reformer um Präsident Viktor Juschtschenko und Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko hat sich auseinander bewegt. Der russisch dominierte Osten und die dortigen Industrie-Oligarchen gewinnen wieder an Einfluss.

Die Gruppe traf sich in Kiew ebenso mit den Protagonisten der Revolution – Timoschenko und Juschtschenko – wie mit dem „Fußvolk“ des demokratischen Umbruchs: Jenen Menschen, die auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew wochenlang für ihr Recht auf freie Wahlen gekämpft hatten. In Gesprächen mit Wirtschaftsexperten und Politologen wurde auch deutlich, warum die Ukraine seit dem Umbruch von einer politischen Krise in die nächste gleitet: Es ist wesentlich leichter, eine alte Struktur hinwegzufegen, als eine neue aufzubauen.

Ein zweiter Teil der Reise führte die Teilnehmer ins ostukrainische Donezk, das industrielle Zentrum des Landes. Gesprächspartner waren vor allem Vertreter der „blauen“ Ukraine, also jene Menschen, die dem Umbruch in Kiew von Anfang an mit Misstrauen begegnet waren. Viele von ihnen fühlen sich verraten von der neuen Führung unter Juschtschenko. Sie verstehen nicht, warum man ihnen Ukrainisch als Amtssprache verordnen will, obwohl im Osten traditionell nur Russisch gesprochen wird. In ihrem Stolz als wirtschaftliche Leistungsträger der Ukraine fühlen sich die Bewohner des Donbass verletzt.

ukraine_2006_bild2

Die Idee, in einer deutsch-polnischen Gruppe zu reisen, erwies sich als Glücksfall: Der Blick der polnischen Kollegen auf die Ereignisse in ihrem Nachbarland war oft ein anderer und bereicherte das Verständnis aller Teilnehmer. So war die Frage eines möglichen Nato-Beitritts der Ukraine für die Polen weitaus wichtiger als für die Deutschen. Für ein Land, in dem nach wie vor ein Gefühl der Bedrohung durch Russland herrscht, ist das Thema Sicherheit von entscheidender Bedeutung.

Ergebnis der Reise war auch eine ausführliche Berichterstattung. In regionalen und überregionalen Zeitungen sowie Rundfunksendern erschienen sowohl aktuell aus Kiew als auch im Nachhinein Reportagen der Teilnehmer. Der Eindruck innerhalb der Gruppe war einhellig: Die Ukraine ist eines der wohl spannendsten Länder Europas und steckt voll von nicht geschriebenen und noch zu entdeckenden Geschichten.

Die Reise fand statt mit Unterstützung der Stiftung Yalta European Strategy (YES) sowie der Fluglinie Ukraine International Airlines. Organisiert und betreut wurde die Reise von Stefanie Bolzen (Die Welt) und Nils Kreimeier (Financial Times Deutschland).