„Zuhören, was die Afghanen wollen“

Gespräch mit Adrienne Woltersdorf und Cem Sey am 6. Mai 2015 in Berlin

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Fotos: Max Kuball

Die Internationalen Truppen (ISAF) sind zum Jahreswechsel aus Afghanistan abgezogen, auch Deutschland hat seine Soldaten vom Hindukusch zurückbeordert – aber manches ist in Afghanistan geblieben: Vor allem die Probleme, die der 2001 als internationale Anti-Terror-Mission begonnene Militär-Einsatz längst gelöst haben wollte. Oder muss es sogar heißen: Nach 13 Jahren gelöst haben SOLLTE?

Das war eine der großen Fragen im Hintergrundgespräch mit Adrienne Woltersdorf und Cem Sey am 6. Mai in Berlin. Das Journalisten-Paar ist erst im März nach drei Jahren Leben und Arbeiten in und aus Afghanistan nach Deutschland zurückgekehrt.

Mit enormem Insider-Wissen standen die beiden einen Abend lang in den Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin einem kleinen Kreis interessierter Journalisten und Journalistinnen Rede und Antwort, schilderten das Besondere im Alltäglichen des afghanischen Lebens, erklärten das Selbstverständnis der Afghanen, die Clan-Strukturen sowie Probleme und Chancen der wirtschaftlichen, infrastrukturellen und durch die Tradition vorgegebenen Entwicklung von Staat und Gesellschaft. Und sie nahmen auch Stellung zu brisanten Fragen; etwa, warum mittlerweile auch die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) Attentate im Land am Hindukusch verübt und damit sogar die Taliban das Fürchten lehrt. Und warum das Ansehen der Deutschen im Land nach wie vor sehr hoch ist.

DSC_1607Ein Fazit von Woltersdorf und Sey zum Umgang der Weltgemeinschaft mit dem Land am Hindukusch: Die internationale Intervention in Afghanistan nach den Terror-Attacken vom 11. September 2001 in den USA war richtig, der Abzug der Truppen vor wenigen Monaten dagegen falsch: Er kam aus Sicht der beiden Gesprächspartner zu früh. Und deshalb betonten beide: Afghanistan ist weiter auf Hilfe von außen angewiesen, doch bevormunden sollte die internationale Gemeinschaft das Land nicht. Sondern vielmehr „zuhören, was die Afghanen wollen“. Das heiße nicht, so Sey und Woltersdorf, dass der Westen jeden (vor allem finanziellen Wunsch) aus Kabul erfüllen sollte. Aber mit dem westlichen Blick ein Land entgegen seiner gewachsenen Identität umbauen und seine Zukunft von außen bestimmen zu wollen, werde auf jeden Fall scheitern. Und das wiederum würde bedeuten, so Woltesdorf und Sey: Afghanistan würde wieder zum Pulverfass werden – in einer Region, in der es rundherum vom Atommächten regelrecht wimmelt.