„Couch-Surfing“ für Journalist:innen – und noch viel mehr
Das Start-up „Hostwriter“ fördert kooperativen Journalismus
Eine tunesische Journalistin übernachtet bei einer Kollegin in Berlin während ihrer Recherchen zur Stasi-Unterlagenbehörde. Journalist:innen aus Deutschland und Algerien schließen sich zu einem Recherche-Tandem zusammen, um über ein Joint-Venture ihrer Länder in der Solarbranche zu berichten. Ein kanadischer Journalist postet eine Anfrage über die globalen Arbeitsbedingungen von Haushaltshilfen und erhält Fallbeispiele von Kollege:innen aus Brasilien, Ghana und dem Libanon.
Die Berichterstattung aus dem In- und Ausland wird für Nachwuchsjournalist:innen immer schwieriger. Auch große Sendeanstalten übernehmen nur selten die Reisekosten für junge Journalist:innen, die in der aktuellen Medienkrise oft als freie Reporter:innen und Autor:innen für verschiedene Auftraggeber gleichzeitig arbeiten. Viel zu oft scheitern journalistische Ideen an den finanziellen Mitteln, die für vor-Ort Recherchen im Ausland nicht gestemmt werden können. Und was für deutsche Nachwuchsjournalist:innen schwierig ist, ist für Kollegen aus ökonomisch schwachen Ländern ein Ding der Unmöglichkeit: Freie Journalist:innen aus Bangladesch, Haiti oder Sierra Leone haben in der Regel keine Chance, in den sogenannten Ländern der „1. Welt“ überhaupt zu recherchieren. Hier möchte die gemeinnützige Plattform „Hostwriter“ einen völlig neuen Weg einschlagen.
Das Netzwerk will Journalist:innen aus aller Welt die Möglichkeit bieten, sich gegenseitig zu unterstützen: Hat eine Journalistin eine Idee für eine Auslandsreportage, aber keine Ansprechpartner vor Ort, kann ein Mitglied des Netzwerks der erste Kontakt sein. Ein Kollege, der Tipps gibt, Türen öffnet, sein Land erklärt und vielleicht auch sein Gästezimmer für die Zeit der Recherche zur Verfügung stellt. Oder umgekehrt: Ein Kollege aus dem Ausland oder einer anderen Stadt sucht Ansprechpartner im Heimatland eines Mitglieds, die sein Fachgebiet betreffen oder in seiner Stadt anzutreffen sind. Vielleicht kommt über Hostwriter ein Kontakt zustande, vielleicht bilden beide auch ein Recherche-Tandem und forschen in zwei Ländern zum gleichen Thema.
Seit seinem Start 2014 ist Hostwriter inzwischen zu einem weltweiten Netzwerk angewachsen. Seinen Ausgangspunkt aber nahm Hostwriter bei journalists.network: Hier kamen die drei Gründerinnen auf die Idee, hier fanden die ersten konzeptionellen Diskussionen statt und dank der jn-Kontakte wurde auch die Finanzierung von Hostwriter gestemmt. Hostwriter ist also so etwas wie eine jn-Ausgründung – auf die wir sehr stolz sind. Wir wünschen den Kolleginnen und ihrem „Baby“ alles Gute und viel Erfolg!