100 Jahre Republik China zwischen Unabhängigkeit und Versöhnung

Hintergrundgespräch mit Wu-lien Wei, Repräsentant Taipehs, im Mai 2011

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Die Republik China hat ihren 100. Geburtstag gefeiert. Ihre Anhänger regieren seit mehr als fünfzig Jahren jedoch nur die Insel Taiwan. Sie mussten 1949 vor den Truppen der Volksrepublik auf das Eiland fliehen. Präsident Ma setzt auf einen „Wandel durch Versöhnung“ mit Peking. Mehr als 1,6 Millionen Chinesen besuchen jährlich die Insel. Direkte Gespräche zwischen Taiwan und China gibt es bis heute nicht. Zwei Stiftungen sollen für den Wandel sorgen. Sie verhandeln Abkommen über Postverkehr, Lebensmittelsicherheit, Flugverkehr oder Rechtshilfe.

„Unsere Politik läuft auf einen Erhalt des Status quo heraus“, erklärte am 16. Mai 2011 Wu-lien Wei, Repräsentant der Republik China, bei einem Gespräch mit journalists.network in der Berliner Taipeh Vertretung. Es sei eine Politik der drei Neins: keine Wiedervereinigung, keine Unabhängigkeit, keine militärische Gewalt. Dafür machen sich die Vertreter der Republik China auch im Deutschen Bundestag stark. „Wir haben rund 60 befreundete Abgeordnete“, erzählt Wei.

Bei den im Januar 2012 anstehenden Wahlen in Taiwan könnte dieser realpolitische Kurs aufgekündigt werden. Die oppositionelle DDP fordert die Unabhängigkeit Taiwans. Sie will zudem – seit der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 – eine Wende in der Atompolitik. Taipeh würde damit einen stillen Konsens in Ostasien aufbrechen und als erste Regierung der Region offen die Zukunftsfähigkeit dieser Technologie in Frage stellen.

Als entscheidendes Wahlkampfthema könnte sich allerdings die Wohnungspolitik herausstellen. „Für junge Menschen ist Wohnraum in Taipeh unerschwinglich“, erzählte Wei. Taiwan zählt schon heute mit rund 640 Menschen auf einem Quadratkilometer zu der am dichtesten bevölkerten Region in Ostasien.