„Als putscherfahrener Türke wusste ich, was zu tun ist“

Hintergrundgespräch mit Cem Sey zur Türkei

Cem Sey vor 22 Zuhörern beim Hintergrundgespräch zur Türkei

Cem Sey vor 22 Zuhörern beim Hintergrundgespräch zur Türkei

Cem Sey geriet zufällig mitten in den Putschversuch in der Türkei – der für politische Beobachter nicht ganz so unerwartet kam, wie er im Hintergrundgespräch bei journalists.network erklärte. Als er mit dem Auto von Ankara nach Istanbul fuhr, ging es vor der Bosporus-Brücke nicht mehr weiter. Er hörte im Radio, dass das Militär einen Umsturz plante. „Als putscherfahrener Türke wusste ich, was zu tun ist – runter von der Straße und in ein Hotel“. Er hörte Schüsse, sah die Kampfjets und ahnte, dass der Versuch scheitern würde: Niemand mit Verstand putsche an einem Freitag abend in Istanbul, wenn die Leute ausgehen, alle Straßen verstopft sind.

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Die Türkei nach dem Putschversuch

Hintergrundgespräch mit Cem Sey am 25. Juli in Berlin

Ein gescheiterter Putsch des Militärs, der „Gegen-Putsch“der Regierung, die Diskussion um die Todesstrafe: Die Nachrichten aus der Türkei sind harter Tobak. Das Land wird erschüttert von gesellschaftlichen Grabenkämpfen, in den Kurdengebieten im Südosten herrschen kriegsähnliche Zustände, an den Grenzen brodelt’s, der Umgang mit Islamisten ist unklar, der Staatspräsident macht die Opposition mundtot – ist aber von der Mehrheit gewählt.

Von außen betrachtet scheint man ein Land auf dem Weg in die Diktatur zu beobachten. Wie aber fühlt es sich im Land an, wie erleben die Menschen vor Ort diese Tage? Darüber kann uns Cem Sey berichten. Der deutsch-türkische Journalist ist langjähriges jn-Mitglied und hat den Putschversuch in Istanbul erlebt. Jetzt kommt er nach Berlin – und nimmt sich Montag abend für uns Zeit, seine Eindrücke zu schildern und die Lage in der Türkei einzuschätzen. Das Gespräch mit Cem Sey findet statt am Montag, den 25. Juli, um 19 Uhr in der Narr Bar, Böckhstraße 24, 10967 Berlin-Kreuzberg.

Über eine kurze Anmeldung bei unserem Vorstandsmitglied Anna Corves würden wir uns sehr freuen: ac@journalists-network.org

Türkei: „Es geht um alles bei dieser Wahl“

Hintergrundgespräch mit Cem Sey am 2. Juni 2015 in Berlin

20150602 Pressegespräch Türkei

Foto: Klaus Heymach

Am 7. Juni wurde in der Türkei gewählt und dabei stand viel auf dem Spiel: Würde die regierende AKP ihre absolute Mehrheit behaupten können? Würde Präsident Erdogan anschließend das angekündigte Präsidialsystem einführen können? Oder kommt die Kurden-Partei HDP über die Zehn-Prozent-Hürde und verhindert Erdogans Machtfestigung?

Diese und viele weitere Aspekte waren Thema beim jn-Hintergrundgespräch zu den türkischen Parlamentswahlen am 2. Juni in Berlin. Mitten in Kreuzberg und dank gutem Wetter sogar draußen schilderte uns Cem Sey, deutsch-türkischer Journalist und jn-Mitglied, seine Sicht auf die aktuellen Vorgänge in der Türkei.

Eindringlich warnte Sey vor den Plänen Erdogans, ein Präsidialsystem einführen zu wollen. Darin hätten Parteien nur noch beratende Funktion, der Präsident bestimme dann hingegen alles, von der Person des Ministerpräsidenten bis zur Parlamentsauflösung. Sey, der lange in Kabul gelebt hat, zog daher das Fazit: „Das Präsidialsystem in Afghanistan ist demokratischer als das, was Erdogan vorgeschlagen hat.“

Ein weiterer Schwerpunkt des Abends lag auf dem Annäherungsprozess der Türkei an die EU. Natürlich sei es um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei in den letzten Jahren sehr still geworden, die Reformen ins Stocken geraten, so Sey. Und doch gingen die Verhandlungen zwischen Ankara und Brüssel im Stillen weiter. Und auch die Reformen, die bisher in den Verhandlungen erreicht wurden, hätten bereits vieles bewirkt: „Die Gezi-Bewegung hätte nicht stattfinden können ohne europäische Reformen.“

Außerdem werde die Aussicht auf eine EU-Mitgliedschaft ganz neuen Schwung bekommen, sollte Erdogans AKP die absolute Mehrheit verpassen: „Wenn wir keinen Bürgerkrieg kriegen, dann kriegt der EU-Beitritt eine ganz neue Perspektive“, prophezeite Sey, der hauptsächlich für CNN Türk arbeitet.