Tag des Auslandsjournalismus 2023 in München
Mehr als 200 Journalist*innen debattieren über Auslandsjournalismus
Die erste Fachtagung zur Auslandsberichterstattung in Deutschland fand am 13. und 14. Januar 2023 im Redaktionsgebäude der Süddeutschen Zeitung in München statt. Insgesamt nahmen mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem gesamten deutschsprachigen Raum teil, darunter langjährige Korrespondentinnen und Korrespondenten, Nachwuchskräfte und Fachredakteure aus dem Bereich der Außenpolitik. Auch mehrere Vereine und Nichtregierungsorganisationen waren mit Ständen und Infomaterial vor Ort.
Ein Schwerpunkt unserer Veranstaltung war die Förderung junger Nachwuchsjournalistinnen und Journalisten, die sich für Auslandsberichterstattung interessieren oder sogar bereits erste Erfahrungen im Ausland sammeln konnten. Umso mehr freute uns das große Interesse junger Teilnehmender, mehr als 90 Volontäre, Journalistenschüler und Studierende reisten nach München, um am Tag des Auslandsjournalismus 2023 teilzunehmen.
Von der Veranstaltung selbst berichtete ein junges Social-Media-Team aus jungen Volontärinnen und Volontären, die eigenständig über die zwei Tage auf den sozialen Kanälen des Vereins veröffentlichten.
Eingeleitet wurde der Tag des Auslandsjournalismus 2023 mit einer Gesprächsrunde über Berichterstattung in Kriegszeiten am Freitagabend in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatskanzlei. Besetzt war die Runde mit Rebecca Barth, ARD-Hörfunk-Korrespondentin in der Ukraine, Tomas Avenarius, SZ-Korrespondent für Türkei, Iran und Afghanistan, Bernd Niebrügge, internationaler Korrespondent für ARD und BR sowie Bartholomäus von Laffert, Kriegs- und Krisenreporter im Nahen Osten und Afrika. Moderiert wurde die Runde von Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks.
Neben den Teilnehmenden waren auch Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik im Amerikahaus dabei. Im Anschluss fand ein Empfang statt, bei dem sich die Expertinnen und Experten mit den Teilnehmenden ins Gespräch kamen.
Am Samstag eröffnete die Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, Judith Wittwer, die Veranstaltung mit einer Auftaktrede, in der sie über Herausforderungen für Auslandsreporter und Redaktionen in einem zunehmend politisch schwierigen Umfeld sprach.
Daran angeschlossen diskutierte eine Runde mit Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks , Weltreporter-Geschäftsführerin Christina Schott, Marc Engelhardt, Direktor des CORRECTIV CrowdNewsroom und Susanne Glass, außenpolitische Leitung des Bayerischen Rundfunks, über die Herausforderungen für den deutschsprachigen Auslandsjournalismus angesichts knapper werdender Kassen. Moderiert wurde die Runde von Andre Zantow, Redakteur beiDeutschlandfunk Kultur.
Das zweite Panel war international besetzt und beschäftigte sich mit Crossborder-Recherchen. Moderatorin Lea Busch vom NDR stellte die Frage, wie internationale Kooperationen gelingen und lokale Journalistinnen und Journalisten in gemeinsame Projekte eingebunden werden können.
Frederik Obermaier von paper trail media berichtete über sein neu gegründetes Investigativ-Start-up, mit auf dem Panel saßen auch Elisa Simantke von Investigate Europe und Jan Strozyk vom Organized Crime and Corruption Reporting Project.
Weiter ging es mit der Frage von Vielfalt im Auslandsjournalismus. Wie divers aufgestellte Redaktionen gelingen können und warum das Thema in vielen Medien immer noch nicht ausreichend Gewicht findet, diskutierten Emran Feroz, Afghanistan-Autor, Nahost-Expertin der Süddeutschen Zeitung, Dunja Ramadan und Stella Männer, freie Korrespondentin im Libanon.
Großes Thema war auch der Klimawandel als Herausforderung für den Auslandsjournalismus: Wie können Journalisten die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels aufzeigen, vor Ort, konkret, unideologisch? Darüber sprachen Sven Egenter von Clean Energy Wire und klimafakten.de mit Lena Bodewein, frühere ARD-Hörfunk-Korrespondentin in Südostasien, Katharina Mau vom Newsletter “Onboarding Klimajournalismus” sowie Jürgen Webermann von NDR Info, der die Veranstaltung moderierte.
Die Abschlussrunde lud zur Debatte über die Zeitenwende ein und die Gefahr eines neuen Kalten Krieges zwischen China, Russland und dem Westen. Wohin entwickelt sich die Welt? Darüber diskutierten Peter Rásonyi, Neue Zürcher Zeitung, Stefan Kornelius, Ressortleiter Politik der Süddeutschen Zeitung, Caroline Turzer, Außenpolitikchefin der Welt sowie Stefanie Schöneborn, Redaktionsleiterin auslandsjournal des ZDF, moderiert wurde die Runde von BR-Redakteurin Astrid Freyeisen.
In acht Workshops ging es um praxisnahe Weiterbildung in konkreten Fachbereichen. Dazu gehörte ein Workshop zur Recherche mit Satellitendaten, geleitet von dem preisgekrönten Journalisten und Gründer des Start-ups Vertical52 Michael Anthony. Die Journalistinnen Lea Sahay, Süddeutsche Zeitung in China, und Frankreich-Korrespondentin Giorgia Grimaldi berichteten über die Arbeit als freie Journalistin im Ausland.
Wer im Ausland recherchieren will, geht große Risiken ein, erklärte Nikolai Link von Heaff.de in seinem Workshop. Bei ihm lernten Teilnehmende, wie man die Gefährdung für sich und sein Team richtig einschätzt. Andreas Müller-Cyran, Gründer und Leiter des weltweit ersten Kriseninterventionsteams sprach über Unfälle, Verbrechen und andere Extremsituationen und welche Erfahrungen aus der Traumabewältigung Journalistinnen und Journalisten im redaktionellen Alltag helfen können. Für 15 Kolleginnen und Kollegen leitete Nikolai Link von Heaff.de ebenfalls einen eigens konzipierten Erste-Hilfe-Kurs für Auslandsreporter, bei dem er um die Rettung, Ersteinschätzung und Verletzungsversorgung in Krisengebieten sprach und ganz konkret mit den Teilnehmern übte.
Digitaler ging es im Workshop über Osint-Recherchen zu, indem Lea Weinmann von der Süddeutschen Zeitung über das Faktenchecken im Ausland erzählte. Christiane Wittenbecher leitete einen Kurs zum Produzieren von unterwegs in den Bereichen Radio, Social Media und Mobile Reporting. Im Anschluss lud Investigativ-Journalist Hakan Tanriverdi zur Crypto-Party für Journalisten und erklärte, wie man Quellen ebenso wie eigene Geräte wie Handys vor fremden Zugriffen schützt.
Teil der Konferenz war auch die Ausstellung “Vergessene Welten und blinde Flecken” über die mediale Vernachlässigung des Globalen Südens, die von Mitarbeitern der Goethe-Universität Frankfurt mit Action Medeor konzipiert wurde. Ebenso vor Ort war die Otto-Brenner-Stiftung, die über ihre Studien zum Thema Auslandsjournalismus informierte, sowie der Münchener Verein Journalisten helfen Journalisten.
Wir bedanken uns bei allen Workshopleiter*innen, Panelist*innen und Teilnehmer*innen für Ihre Teilnahme sowie bei den Förderern. Alle Unterstützer finden Sie hier.