Muslimisches Land mit vielen Sichtweisen
Recherchereise in den Senegal im Februar 2018
Text: Jenny Marrenbach – Fotos: Peter Dörrie
„Was ihr hier seht ist die rechte Brust von Dakar. Die Linke liegt dort drüben.“ Ein wenig verwundert schaut die Reisegruppe zwischen dem Hügel mit dem großen Monument de la Renaissance Africaine und einem zweiten hin und her, der mit spitz in die Luft ragenden Antennen gespickt ist. Unser Stadtführer, ein im traditionell muslimischen Kaftan gekleideter älterer Herr, lächelt zufrieden, die überraschende Wendung der Geschichte ist gelungen. Ein muslimisches Land mit Nippelsaga – damit hatten wir nicht gerechnet.
Die Geschichte des Griot, Stadtführer und traditioneller Geschichtenerzähler, bleibt nicht die einzige, die uns neue Perspektiven auf den Senegal eröffnet. In den zehn Tagen unserer Reise ändert sich unsere Sichtweise auf das Land an der Westküste Afrikas immer wieder neu. Wir diskutieren mit Professoren, Aktivisten, Politikern und Kleinbauern – erleben viel Gastfreundschaft, gutes Essen und aufgeschlossene Gesprächspartner.
Eines der großen Themen der Reise ist der Fischfang. Nachdem wir mit Vertretern von Greenpeace über die Probleme der Überfischung und des illegalen Fischfangs gesprochen haben, machen wir uns im Küstenort Joal selbst ein Bild von der Situation. Der Strand ist vor lauter großer, scharfkantiger Schalen fast nicht zu sehen. Gemeinsam mit Unmengen anderer Fische werden hier täglich tonnenweise handtellergroße Muscheln in den vielen bunten Fischerbooten an Land gebracht und für den Verkauf präpariert. Auch wenn die kärglichen Abfertigungshallen trügen – hier ist einer der größten Fischumschlagplätze des Senegal. Unsere Gruppe mischt sich ins Gemenge, schaut beim Sortieren der Fische zu und diskutiert mit den Fischern über ihre Arbeitsbedingungen. Später fahren wir noch in einer der buntbemalten Pirogen aufs Meer hinaus und erleben, wie die Fischer ihre Netze auswerfen.
Überfischung als riesiges Problem
Es sind viele unterschiedliche Stimmen, die wir einfangen, aber in einem sind sich die Fischer einig: Ihre Lebensgrundlage ist durch die Überfischung ausländischer Fischereiflotten in senegalesischen Gewässern bedroht. Auch die EU betreibt zwei solcher Containerschiffe in den tiefen und nährstoffreichen Gewässern vor der Küste Senegals. In einem Gespräch mit EU-Vertretern diskutieren wir über Fischereiabkommen und den Vorwurf der illegalen Überfischung.
Landwirtschaft, Migration, Gesundheit und Religion sind weitere Themen zu denen wir auf dieser Reise Eindrücke sammeln und Gespräche führen können. Gemeinsam mit senegalesischen KollegInnen nehmen wir unsere eigenen Recherchestränge auf – und bekommen so vielschichtigere Eindrücke in sengalesische Entwicklungsbestrebungen. Sei es bei einer Tech-Messe für junge weibliche Start-Up-Gründerinnen, im Gespräch mit chinesischen Händlern oder der neugeplanten Stadt Diamniadio, der wohl größten Baustelle des Landes.
Der Besuch in Touba, dem „Mekka“ Westafrikas, gehört zu einem besonderen Höhepunkt der Reise. Verschleiert konnten wir die große Moschee der Stadt erkunden und den Einfluss des Islam auf den Senegal besser verstehen lernen. Und obwohl wir die Augen weit aufgehalten haben – weitere Nippel waren nun nicht zu entdecken.
Organisiert und begleitet wurde die Senegal-Reise von den freien Journalisten Peter Dörrie und Lucia Weiß. Finanziell unterstützt wurde die Recherchereise vom New Venture Fund und der Hilfsorganisation Misereor.