Flüchtlinge, Öl und Säbelrasseln

Alumni-Recherchereise nach Aserbaidschan im Juni 2010

Fotos: Klaus Heymach

Orientalisch? Post-sowjetisch? Pulverfass oder Stabilitätsanker? Mitte Juni ging eine Gruppe jn-Alumni im Südkaukasus auf Spurensuche. Und stieß dabei auf überzeugte Europäer und enttäuschte Dissidenten, verzweifelte Flüchtlinge und stolze Militärs, Blogger und Minister. „Wir sind ein Teil von Europa“, zeigte sich der Chef des staatlichen Oil Funds in Baku überzeugt. Als Beleg führt der 38-jährige Shahmar Movsumov seine Arbeit an: Der Gewinn aus jedem Barrel Öl werde dokumentiert, Korruption gebe es nur noch in der Wahrnehmung mancher westlicher Beobachter. Gegen Vetternwirtschaft und Ressourcenfluch arbeitet Movsumov in einem auf frostige Grade heruntergekühlten Neubau aus dunklem Marmor, gegenüber haben italienische Luxusboutiquen eröffnet. Europa am Kaspischen Meer. Beim Eurovision Song Contest, freut sich Movsumov, sei sein Land wieder in der Top Ten gelandet. Weiterlesen …

Neue Großmacht oder veralteter Petrostaat?

Recherchereise nach Russland im Mai 2010

Text: Evelyn Runge

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Die zwölf cremefarbenen Telefone habe er aus dem Kreml mitgebracht, sagt Dmitry Peskow, Pressesprecher von Wladimir Putin. Seinen Konferenztisch im Weißen Haus hat Peskow mit Buddha-Statuen dekoriert, das Fensterbrett mit einem Morgenstern. Eloquent und ruhig wie ein Buddha antwortet er auf jede Frage. Kritiker aber meinen, die Regierung agiere mit härterer Hand als noch vor wenigen Jahren. „Wir sind auf dem Weg in einen totalitären Staat“, sagt Michail Kassjanov, ehemaliger Premier und heutiger Leiter der Oppositionspartei „Volksdemokratische Union“.

Eine Woche lang hatten die zwölf Reiseteilnehmer Gelegenheit in Moskau und in Westsibirien zu recherchieren: Wirtschaftsmacht und innere Demokratisierung, Korruption und Justizreform, den Stellenwert von Pressefreiheit und politischer Opposition, Energie und Rohstoffe als Druckmittel in der Außenpolitik: Facettenreich und komplex wie die Themen selbst waren auch unsere Gesprächspartner. Weiterlesen …

Medien im Nahen Osten: TV-Revolution in Arabien?

Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Adel Iskandar im März 2010

Der ägyptische Medienwissenschaftler Adel Iskandar - Foto: Klaus Heymach

Der ägyptische Medienwissenschaftler Adel Iskandar – Foto: Klaus Heymach

Viele können nicht lesen und schreiben, sie haben keinen Zugang zu Bildung und Kultur – doch die Medienkompetenz in der arabischen Welt ist groß. Das ist die These von Adel Iskandar. „Wir haben dort wahre Medienrevolutionen erlebt“, sagte der ägyptischstämmige Medienwissenschaftler von der Georgetown University in Washington. Jeder arabische Haushalt empfange heute im Durchschnitt 240 Sender aus der Region – eine Vielfalt an Unterhaltung und Information, die selbst viele westliche Angebote in den Schatten stellt.

Am 11. März 2010 war Iskandar bei journalists.network zu Gast. Titel des Pressegesprächs, das in den Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin stattfand: „Between Fire and Quicksand: Conflict Journalism and the New Media Landscape in the Middle East.“

Die Berichterstattung über Konflikte in Gaza und im Libanon habe den Medien in der arabischen Welt neue Impulse gegeben, sagte Iskandar. Bevor der Satellitensender Al-Jazeera auf Sendung gegangen sei, seien „Reporter nie aufs Schlachtfeld“ gegangen. Das habe sich jetzt gründlich geändert – und auch in der Innenpolitik der arabischen Länder zu gesteigerter Transparenz geführt. Unabhängige Blogger in Ägypten oder im Iran setzten diesen Trend weiter fort. „Die Zukunft liegt im Internet“, sagte Iskandar. Der Libanon-Krieg sei der erste „Youtube-Krieg“ gewesen. Und auch die Proteste im Iran seien ohne die ungefilterte Online-Resonanz kaum vorstellbar gewesen.

Zwischen Aufbruch und Krise: Südafrika ein halbes Jahr vor der WM

Recherchereise im Januar/Februar 2010

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Südafrika, ein Land großer sozialer Gegensätze und politischer Spannungen, hat schon einmal durch den Sport zusammengefunden: bei der Rugby-Weltmeisterschaft 1995. Im Februar 2010 haben 14 junge deutsche Journalistinnen und Journalisten zehn Tage lang vor Ort erlebt, wie sehr die Menschen in dem Land hoffen, dass auch die Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer 2010 ein gemeinschaftsstiftender Erfolg wird. Milliarden-Investitionen sollen dem dienen. Die Regierung nutzt die erste Fußball-WM auf dem afrikanischen Kontinent, um die Infrastruktur zu modernisieren und das Image des Staates aufzupolieren.

Sechs Jahre ist es her, seit der Fußballwelt Südafrika als Ausrichter vorgestellt wurde. Seit sechs Jahren sind auch immer wieder Zweifel daran zu hören, dass das Land dieses Riesenprojekt wirklich stemmen kann. Auf der Reise machte sich die Gruppe selbst ein Bild davon, wo das Land politisch, sozial und wirtschaftlich steht, wie weit die Vorbereitungen gediehen sind und was die Menschen von dem Großereignis haben.

In Kapstadt, Pretoria und Johannesburg trafen die Journalisten Menschen aller Bevölkerungsschichten: Fabrikarbeiter und Manager, Fußball-Funktionäre und Politiker, deutsche und südafrikanische Journalisten, Township-Bewohner und Studenten. Zum Schluss waren die Blöcke und Tonbänder voll. Weiterlesen …

Energie tanken zwischen Kühen und Seen

Herbst-Tagung 2009 in Mecklenburg-Vorpommern

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Irgendwo im Nirgendwo zwischen Hamburg und Berlin, umringt von Kühen und Seen, trafen sich die journalists.network-Interessierten aus ganz Deutschland zur Herbst-Tagung 2009. Zwei Tage lang gegenseitiges Kennenlernen und Vorbereiten auf die Reisen im kommenden Jahr – das war das Ziel des Treffens in Klocksin in Mecklenburg-Vorpommern. Schließlich lebt das Netzwerk vom Engagement all der Journalisten, die Reisen organisieren. Und gerade weil das in diesem Jahr durch die Wirtschaftskrise schwieriger geworden ist, gab das Treffen in Klocksin einen neuen Motivationsschub. Weiterlesen …

Ein Jahr nach dem Krieg

Recherchereise nach Georgien im Juli 2009

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Der Krieg um die separatistischen Gebiete Südossetien und Abchasien hat im Sommer 2008 die Weltöffentlichkeit aufgerüttelt. Ein Jahr danach konnte im Kaukasus von Stabilität  keine Rede sein. Neue Konflikte lauerten und konnten jederzeit wieder ausbrechen. Wir, eine 12-köpfige Gruppe von Print- und Radiojournalisten, sind im Juli 2009 nach Georgien aufgebrochen, um diese Spannungen aus nächster Nähe mitzuerleben und darüber zu berichten.

Die Reise begann sehr gemütlich in der Russischen Botschaft zu Berlin. Pressereferenten schilderten uns die russische Sicht der Dinge und führten uns ein Propagandavideo mit drastischen Kriegsbildern vor – welch stimmungsvoller Auftakt für unsere Reise in den Kaukasus. Weiterlesen …

EU-Erweiterung: Die zwei „Neuen“

Recherchereise nach Bukarest und Sofia im November 2008

Text: Rita Nikolow

Pompöses Bukarest: Der Parlamentspalast.

Pompöses Bukarest: Der Parlamentspalast.

Rumänien und Bulgarien – das gehört für viele Europäer zusammen. Weil sie Nachbarländer sind und seit 2007 die beiden jüngsten Mitglieder der EU. Untereinander ist die Beziehung aber nicht gerade innig. Bulgaren und Rumänen wissen eigentlich erstaunlich wenig voneinander. Sechs Tage lang haben wir zu elft Bukarest und Sofia bereist und sind am Ende vollgestopft mit tausend Ideen, Eindrücken, ebenso vielen Böreks und allermindestens ebenso vielen Geschichten heimgekehrt. Um Korruption und Armut ging es in vielen Interviews und Begegnungen in den beiden Hauptstädten; zum Beispiel mit Rumäniens ehemaligem Ministerpräsidenten Adrian Nastase, den wir in seinem Wahlkreis besucht haben, zwei Wochen vor den rumänischen Parlamentswahlen. Weiterlesen …

Zwischen Rückfall und Reformen

Recherchereise in die Türkei im November 2008

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Kaum ein Land der westlichen Welt hat in den letzten Jahren einen so rasanten Modernisierungsprozess durchgemacht wie die Türkei. Seit dem Regierungsantritt der gemäßigt islamischen AKP und Tayyip Erdogans triumphaler Wiederwahl im vergangenen Jahr durchläuft die Türkei einen teils hart umkämpften politischen Reformprozess.

Die Wirtschaft ist aufgeblüht, doch die Gesellschaft ist gespalten angesichts der Lagerkämpfe zwischen Religiösen und Nationalisten. Vor wenigen Monaten wäre die mit satter Mehrheit regierende AKP fast verboten worden, zudem stockt der EU-Beitrittsprozess, und der politisch-gesellschaftliche Kampf um die nationale Identität und den Umgang mit den Minderheiten hält an. Weiterlesen …

Raki, Rock, Redaktionelles

13 Jahre journalists.network: Alumni-Treffen in Istanbul im Juni 2008

Text: Christian Thiele

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Über uns die Sterne. Unter uns der Fluss. In uns ein paar mehr oder ein paar wenige Gläser Raki. Um uns herum das Funkeln tausender Lichter, von illegalen, halblegalen und vielleicht mitunter sogar legalen Bauten. Vor uns eine lange Nacht: Nein, eine abendliche Bootspartie auf dem Bosporus ist nicht unbedingt der falscheste Ort für ein standesgemäßes journalists.network-Event. So geschehen Mitte Juni 2008 in Istanbul.

Istanbul ist in diesen Tagen eine merkwürdige Stadt: In manchen Vierteln ist der Ausschank von Alkohol verboten, andere werden von den Reiseführern als die hippsten, wildesten und durchgeknalltesten „places to be“ auf dem ganzen Planeten angepriesen. Weiterlesen …

Afrikas Tor nach Europa

Recherchereise nach Marokko im Mai/Juni 2008

Die Kasbah Ait Ben Haddou im Südosten Marokkos hat schon als Kulisse für Hollywood-Filme gedient.

Die Kasbah Ait Ben Haddou im Südosten Marokkos hat schon als Kulisse für Hollywood-Filme gedient.

Nach den Anschlägen von Casablanca 2003 und Madrid 2004 bestimmten Berichte über Terror, Islamisierung und die radikalen Maßnahmen, mit denen die Regierung in Rabat gegen mutmaßliche Extremisten vorging, lange Zeit die Schlagzeilen aus Marokko. Doch mittlerweile scheint der autoritär herrschende König Mohammed VI. die Bedrohung unter Kontrolle gebracht zu haben. Mehr noch: als moderater Reformer begegnet das Staatsoberhaupt den Extremisten im eigenen Land mit der Förderung eines friedvollen Islams. Weiterlesen …