100 Jahre Republik China zwischen Unabhängigkeit und Versöhnung

Hintergrundgespräch mit Wu-lien Wei, Repräsentant Taipehs, im Mai 2011

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Die Republik China hat ihren 100. Geburtstag gefeiert. Ihre Anhänger regieren seit mehr als fünfzig Jahren jedoch nur die Insel Taiwan. Sie mussten 1949 vor den Truppen der Volksrepublik auf das Eiland fliehen. Präsident Ma setzt auf einen „Wandel durch Versöhnung“ mit Peking. Mehr als 1,6 Millionen Chinesen besuchen jährlich die Insel. Direkte Gespräche zwischen Taiwan und China gibt es bis heute nicht. Zwei Stiftungen sollen für den Wandel sorgen. Sie verhandeln Abkommen über Postverkehr, Lebensmittelsicherheit, Flugverkehr oder Rechtshilfe.

„Unsere Politik läuft auf einen Erhalt des Status quo heraus“, erklärte am 16. Mai 2011 Wu-lien Wei, Repräsentant der Republik China, bei einem Gespräch mit journalists.network in der Berliner Taipeh Vertretung. Es sei eine Politik der drei Neins: keine Wiedervereinigung, keine Unabhängigkeit, keine militärische Gewalt. Dafür machen sich die Vertreter der Republik China auch im Deutschen Bundestag stark. „Wir haben rund 60 befreundete Abgeordnete“, erzählt Wei. Weiterlesen …

Dinks Erbe: Aufklärung und Dialog

Hintergrundgespräch mit Rakel Dink, Witwe von Hrant Dink, im Januar 2011

Klaus Heymach

Foto: Klaus Heymach

Vier Jahre ist es her, dass Hrant Dink auf offener Straße in Istanbul erschossen worden ist. Aus diesen Anlass hat journalists.network im Januar 2011 zu einem Hintergrundgespräch mit der Witwe des armenischen Journalisten, Rakel Dink, geladen. Im voll besetzten Konferenzraum des ARD-Hauptstadtstudios ging es um das Türkentum, die Geschichte und den mühsamen Kampf für Annäherung und Veränderung.

Rakel Dink machte aus ihrer Enttäuschung über die türkische Justiz keinen Hehl. Der zu Ende gehende Prozess gegen die Mörder ihres Mannes bringe kaum Klarheit, klagte die 51-Jährige. Nur so viel: Die Behörden hätten von den Attentatsplänen gewusst und die Hintermänner gedeckt. Die tödlichen Schüsse seien nur der Schlusspunkt einer jahrelangen Einschüchterungskampagne gewesen. Ganz im Sinne ihres ermordeten Mannes wollte die Vorsitzende der internationalen Hrant-Dink-Stiftung jedoch „nicht über die Toten, sondern über die Lebenden“ sprechen. Sie wolle den „Menschen ins Gewissen reden“, sagte Rakel Dink. Weiterlesen …

Erst Wachstum, dann Demokratie?

Recherchereise nach Ruanda im Januar 2011

Text: Nicole Basel – Fotos: Philipp Lichterbeck

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In Ruanda erzählt man sich gerne einen Witz: „Wer bei uns etwas werden will“, heißt es da, „der muss entweder eine Frau sein oder ein Gorilla.“ Warum das witzig ist? Weil es absurd klingt. Und weil es stimmt. Die wilden Berggorillas sind Ruandas größte Touristenattraktion und drittgrößte Einnahmequelle. Und die Frauen? Die brauchen die acht Journalisten, die im Januar 2011 durch das Land reisten, nicht lange zu suchen. Erfolgreiche Frauen gibt es dort überall.

Der Bürgermeister der Hauptstadt Kigali: eine Frau. Auf ihrem Stellvertreterposten: eine Frau. An der Spitze einer expandierenden Ziegelfabrik, in der Führung des Landwirtschaftsministeriums, auf den vielen Baustellen des Landes, in der Leitung einer Handwerkskooperative, auf mehr als der Hälfte der Sitze des Parlaments… – Frauen, Frauen, Frauen. Wohin man auch kommt. Sie verblüffen genauso wie der grenzenlose Optimismus der Ruander. Vielleicht rührt er daher, dass man in einem Land, in dem eine Million Menschen während eines bestialischen Völkermords getötet wurden, gar nicht zurück blicken möchte. Vielleicht kommt er aber auch daher, dass sich in Ruanda wirklich etwas tut. Weiterlesen …

Besuch beim „unbekannten Nachbarn“

Recherchereise nach Moldau im Dezember 2010

Text: Pauline Tillmann – Fotos: Pauline Tillmann & Max Kuball

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Arm gegen reich, Russland gegen den Westen, transnistrischer Geheimdienst gegen friedliche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – Konflikte gibt es in dem kleinen Land zwischen der Ukraine und Rumänien genug. Also genau das Richtige für Journalisten. Trotzdem wissen auch gestandene Auslandsreporter kaum, ob es nun Moldawien oder Moldau heißt, wie man den Namen der Hauptstadt richtig ausspricht und wie das mit Transnistrien nun genau war. „Moldau – der unbekannte Nachbar“, lautete daher Ende November die treffende Überschrift der letzten Reise von journalists.network 2010. Eine Woche lang hatten die 15 Teilnehmer und Organisatoren Zeit, das Land zu erkunden – auf das Programme, Zeitungen und Nachrichtenticker bald voll sein würden von erhellenden Reportagen, Features und Hintergrundstücken. Die Organisatoren Pauline Tillmann und Oliver Bilger haben ein umfassendes Programm auf die Beine gestellt, das sich im Nachhinein wie ein klassisches Drama in fünf Akten liest. Weiterlesen …

Wohin steuert das Baltikum?

Recherchereise nach Tallinn und Riga im Oktober 2010

IMG_1521„Wohin steuert das Baltikum“ – genauer gesagt, wohin steuern Estland und Lettland? Unter diesem Motto haben wir uns im Oktober auf den Weg gemacht. Nach einer Woche Rundreise sind wir zwar nicht mit einer detaillierten Antwort zurückgekommen, aber mit neuem Wissen, vielen Eindrücken und tollen Kontakten.

Vier Schwerpunkt standen auf dem prall gefüllten Programm: Tallinn als Kulturhauptstadt Europas 2011, die Wirtschaftskrise und ihre Folgen, die Parlamentswahl in Lettland sowie die Energiepolitik der beiden Länder. Weiterlesen …

15 Jahre journalists.network:

Party und Politik zwischen Meer und Wüste

Alumni-Geburtstagsreise nach Tel Aviv und Jerusalem im Oktober 2010

Text und Fotos: Markus Wierz

Flughafen Ben Gurion, 3 Uhr morgens. „What’s the purpose of your visit?“ – „Celebrate.“ Die berufsgrimmige Grenzer-Schönheit ist nicht überzeugt. Sie hat da noch ein paar Fragen. Drei Nächte später wummern Balkan-Beats über das Tote Meer. Auf einer Anhöhe mitten in der Wüste lodert ein munteres Lagerfeuer, brutzelt Deftiges in schweren Eisentöpfen. Bunte Lichter flickern. Nicht alle wollen tanzen, viele schwelgen lieber in Erinnerungen an gemeinsame Reisen nach Südafrika, China oder über den Balkan. Es ist – wie so oft bei journalists.network – keine gewöhnliche Geburtstagsfeier, zu der 30 Alumni im Oktober 2010 nach Israel gereist sind. Dorthin, wo vor 15 Jahren die allererste jn-Reise stattfand. Weiterlesen …

Flüchtlinge, Öl und Säbelrasseln

Alumni-Recherchereise nach Aserbaidschan im Juni 2010

Fotos: Klaus Heymach

Orientalisch? Post-sowjetisch? Pulverfass oder Stabilitätsanker? Mitte Juni ging eine Gruppe jn-Alumni im Südkaukasus auf Spurensuche. Und stieß dabei auf überzeugte Europäer und enttäuschte Dissidenten, verzweifelte Flüchtlinge und stolze Militärs, Blogger und Minister. „Wir sind ein Teil von Europa“, zeigte sich der Chef des staatlichen Oil Funds in Baku überzeugt. Als Beleg führt der 38-jährige Shahmar Movsumov seine Arbeit an: Der Gewinn aus jedem Barrel Öl werde dokumentiert, Korruption gebe es nur noch in der Wahrnehmung mancher westlicher Beobachter. Gegen Vetternwirtschaft und Ressourcenfluch arbeitet Movsumov in einem auf frostige Grade heruntergekühlten Neubau aus dunklem Marmor, gegenüber haben italienische Luxusboutiquen eröffnet. Europa am Kaspischen Meer. Beim Eurovision Song Contest, freut sich Movsumov, sei sein Land wieder in der Top Ten gelandet. Weiterlesen …

Neue Großmacht oder veralteter Petrostaat?

Recherchereise nach Russland im Mai 2010

Text: Evelyn Runge

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Die zwölf cremefarbenen Telefone habe er aus dem Kreml mitgebracht, sagt Dmitry Peskow, Pressesprecher von Wladimir Putin. Seinen Konferenztisch im Weißen Haus hat Peskow mit Buddha-Statuen dekoriert, das Fensterbrett mit einem Morgenstern. Eloquent und ruhig wie ein Buddha antwortet er auf jede Frage. Kritiker aber meinen, die Regierung agiere mit härterer Hand als noch vor wenigen Jahren. „Wir sind auf dem Weg in einen totalitären Staat“, sagt Michail Kassjanov, ehemaliger Premier und heutiger Leiter der Oppositionspartei „Volksdemokratische Union“.

Eine Woche lang hatten die zwölf Reiseteilnehmer Gelegenheit in Moskau und in Westsibirien zu recherchieren: Wirtschaftsmacht und innere Demokratisierung, Korruption und Justizreform, den Stellenwert von Pressefreiheit und politischer Opposition, Energie und Rohstoffe als Druckmittel in der Außenpolitik: Facettenreich und komplex wie die Themen selbst waren auch unsere Gesprächspartner. Weiterlesen …

Medien im Nahen Osten: TV-Revolution in Arabien?

Gespräch mit dem Medienwissenschaftler Adel Iskandar im März 2010

Der ägyptische Medienwissenschaftler Adel Iskandar - Foto: Klaus Heymach

Der ägyptische Medienwissenschaftler Adel Iskandar – Foto: Klaus Heymach

Viele können nicht lesen und schreiben, sie haben keinen Zugang zu Bildung und Kultur – doch die Medienkompetenz in der arabischen Welt ist groß. Das ist die These von Adel Iskandar. „Wir haben dort wahre Medienrevolutionen erlebt“, sagte der ägyptischstämmige Medienwissenschaftler von der Georgetown University in Washington. Jeder arabische Haushalt empfange heute im Durchschnitt 240 Sender aus der Region – eine Vielfalt an Unterhaltung und Information, die selbst viele westliche Angebote in den Schatten stellt.

Am 11. März 2010 war Iskandar bei journalists.network zu Gast. Titel des Pressegesprächs, das in den Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin stattfand: „Between Fire and Quicksand: Conflict Journalism and the New Media Landscape in the Middle East.“

Die Berichterstattung über Konflikte in Gaza und im Libanon habe den Medien in der arabischen Welt neue Impulse gegeben, sagte Iskandar. Bevor der Satellitensender Al-Jazeera auf Sendung gegangen sei, seien „Reporter nie aufs Schlachtfeld“ gegangen. Das habe sich jetzt gründlich geändert – und auch in der Innenpolitik der arabischen Länder zu gesteigerter Transparenz geführt. Unabhängige Blogger in Ägypten oder im Iran setzten diesen Trend weiter fort. „Die Zukunft liegt im Internet“, sagte Iskandar. Der Libanon-Krieg sei der erste „Youtube-Krieg“ gewesen. Und auch die Proteste im Iran seien ohne die ungefilterte Online-Resonanz kaum vorstellbar gewesen.

Zwischen Aufbruch und Krise: Südafrika ein halbes Jahr vor der WM

Recherchereise im Januar/Februar 2010

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Südafrika, ein Land großer sozialer Gegensätze und politischer Spannungen, hat schon einmal durch den Sport zusammengefunden: bei der Rugby-Weltmeisterschaft 1995. Im Februar 2010 haben 14 junge deutsche Journalistinnen und Journalisten zehn Tage lang vor Ort erlebt, wie sehr die Menschen in dem Land hoffen, dass auch die Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer 2010 ein gemeinschaftsstiftender Erfolg wird. Milliarden-Investitionen sollen dem dienen. Die Regierung nutzt die erste Fußball-WM auf dem afrikanischen Kontinent, um die Infrastruktur zu modernisieren und das Image des Staates aufzupolieren.

Sechs Jahre ist es her, seit der Fußballwelt Südafrika als Ausrichter vorgestellt wurde. Seit sechs Jahren sind auch immer wieder Zweifel daran zu hören, dass das Land dieses Riesenprojekt wirklich stemmen kann. Auf der Reise machte sich die Gruppe selbst ein Bild davon, wo das Land politisch, sozial und wirtschaftlich steht, wie weit die Vorbereitungen gediehen sind und was die Menschen von dem Großereignis haben.

In Kapstadt, Pretoria und Johannesburg trafen die Journalisten Menschen aller Bevölkerungsschichten: Fabrikarbeiter und Manager, Fußball-Funktionäre und Politiker, deutsche und südafrikanische Journalisten, Township-Bewohner und Studenten. Zum Schluss waren die Blöcke und Tonbänder voll. Weiterlesen …