Schätze am Polarkreis
Recherchereise nach Lappland im März 2013
Text: Birte Schmidt
Eisenerz, Kupfer und Seltene Erden, Wasser und Wind, aber auch die Kälte und das Meer: Lappland, am nördlichen Ende Europas, ist reich an Bodenschätzen und alternativen Energien – und könnte in absehbarer Zukunft zu einem der wichtigsten Rohstofflieferanten des Kontinents werden. Im März 2013 haben zwölf junge Journalistinnen und Journalisten vor Ort recherchiert, welche Bedeutung Schweden und Norwegen künftig für die europäische Wirtschaft einnehmen könnten.
In Stockholm, Luleå, Piteå, Gällivare, Kiruna, Abisko, Riksgränsen, Narvik, Harstad und Tromsø trafen wir auf Bergarbeiter, Klima-Forscher und Wirtschafts-Experten, auf kreative Visionäre und clevere Unternehmer. Wir haben unter anderem hautnah erlebt, wie abhängig die Menschen im Norden von der Rohstoffgewinnung sind – und wir haben über den Pragmatismus gestaunt, den die Bewohner Kirunas angesichts des Umzugs ihrer Stadt an den Tag legen.
Das Programm begann in der schwedischen Hauptstadt Stockholm beim Deutschen Botschafter Dr. Harald Kindermann, der sagte: „Schweden versteht den deutschen Atomausstieg nicht, ist aber sehr an einer Energiewende interessiert.“ In einem Vortrag informierte Per Nilsson von der Unternehmensberatung Roland Berger anschließend über die Wirtschaft in den skandinavischen Ländern.
Mit dem Flugzeug reisten wir am nächsten Tag ins 900 Kilometer nördlich gelegene Luleå. Hier standen die schwedische Bergbauinspektoren Åsa Persson und Kaj Lax Rede und Antwort zu Fragen der Vereinbarkeit von Bergbau, Umweltschutz und Tourismus.
Im Anschluss teilte sich die Gruppe. Für sieben Teilnehmer ging es zu The Node Pole. Die Agentur vermarktet die Region als Standort für Rechenzentren und hat schon einen großen Deal abgeschlossen: Direkt neben dem Büro an der Technischen Universität in Luleå entsteht eine von drei geplanten Serverhallen von Facebook. Seit dem Sommer 2013 speichert das Soziale Netzwerk hier im größten Datencenter außerhalb der USA 350 Millionen Profile. Für die Kleinstadt ist das ein Hauptgewinn, den sie vor allem der Kälte und dem damit einhergehenden geringeren Kühl-Aufwand sowie den niedrigen Kosten für Ökostrom am Standort zu verdanken hat.
Die restlichen Teilnehmer fuhren ins rund 60 Kilometer entfernte Piteå, wo wir uns eine Autostunde später einen Windpark des Unternehmens Svewind anschauten, von dem bereits die ersten Windräder zu sehen waren. Später trafen wir einen samischen Rentierzüchter, der mit uns über die Probleme mit dem Windparkbetreiber, das Leben als Rentierzüchter und den Klimawandel sprach.
Am dritten Tag war es endlich soweit: Mit der Bahn überquerten wir den Polarkreis. Erster Stopp: Gällivare. Sogleich erlebten wir einen weiteren Höhepunkt der Reise: In der größten offenen Kupfermine Europas bei der Firma Boliden wird 24 Stunden lang an 365 Tagen im Jahr abgebaut. Das Gestein wird dort aus dem Boden gesprengt und mit Muldenkippern, die bis zu 350 Tonnen fassen, zur Weiterverarbeitung an die Oberfläche gefahren.
Für längere Pausen war keine Zeit, schon am Nachmittag stand ein Besuch beim historischen Vattenfall-Wasserkraftwerk in Porjus bei Gällivare an. Ab 1915 wurde hier Schwedens erster Strom aus Wasserkraft produziert, um die nahegelegene Bahnstrecke zum Rohstofftransport zu elektrifizieren. Ein positiver Nebeneffekt für die zu schreibenden Geschichten: Auch Sonja Signarsdotter, die uns durch das Wasserwerk führte, ist Samin und konnte uns ganz persönliche Details aus ihrer Familiengeschichte erzählen. In einem noch nicht elektrifizierten Haushalt aufgewachsen, ist sie heute bei Vattenfall für das historische, aber auch für die modernen Wasserkraftwerke zuständig, von denen wir uns natürlich auch eines zeigen ließen. In 150 Meter Tiefe stürzt das Wasser dort auf die Turbinen herab. Die Generatoren haben bis zu 17 Meter Durchmesser. Menschen arbeiten hier nicht, alles wird ferngesteuert.
Mit der letzten Bahn des Tages ging es von Gällivare weiter nach Kiruna und von dort aus zum berühmten Eishotel Jukkasjärvi. Eingehüllt in dicken Schlafsäcken verbrachten wir bei minus 5 Grad Celsius die Nacht auf Eisblöcken und Rentierfellen. Alle zwölf haben wir es überlebt und können das jetzt auch mit einem vor Ort ausgestellten Zertifikat belegen!
Der Besuch im Bergwerk des staatlichen Unternehmens LKAB in Kiruna schloss inhaltlich nahtlos an den Besuch bei Boliden an. 500 Meter tief im Grubeninneren erfuhren wir mehr über den Konflikt zwischen Industrie und den samischen Bewohnern der Stadt. Dabei fuhren wir zu unserer Überraschung nicht mit einem Aufzug in den Schacht ein, sondern mit einem Bus. Über das Straßentunnelsystem gelangen auch die Arbeiter auf über 1000 Meter Tiefe. Aufzug fährt hier nur das gewonnene Eisenerz – bis zu 100.000 Tonnen pro Tag.
Am Abend besuchten wir Karin Nilsdotter, Geschäftsführerin von Spaceport Sweden, die uns ihre ambitionierten Pläne vom bezahlbaren Weltraumtourismus vorstellte, der sich am heutigen Flughafen und künftigen Weltraumbahnhof in Kiruna etablieren soll.
Wieder mit der Erzbahn ging es immer höher in den Norden weiter nach Abisko. In der Forschungsstation berichteten uns Wissenschaftler von ihren Projekten, die sich hauptsächlich mit dem Einfluss der Klimaveränderungen auf die arktische Natur befassten.
Zu später Stunde erfüllte sich dann auch ein sehnlicher Wunsch der Teilnehmer: Endlich konnten wir die erhofften Polarlichter am Himmel entdecken.
Das Wochenende, das in Skandinavien traditionell der Familie gehört und deshalb keine Termine enthielt, verbrachten wir mit eigenen Recherchen im nahegelegenen norwegischen Narvik oder auf der Skipiste in Riksgränsen.
Weiter über die Grenze nach Norwegen ging es am Montag mit dem Postschiff der Hurtigruten-Linie von Harstad aus in die größte Stadt im Norden des Landes: Tromsø. Unterwegs konnten wir die herrliche Natur der norwegischen Küste genießen – unter anderem auch von der Brücke des Schiffs aus, auf der wir vom Kapitän empfangen wurden. Im Centre for Sami Studies an der Universität Tromsø stellten uns die Dozenten das indigene Leben nördlich des Polarkreises vor. Beim Polarinstitut und dem Arktischen Rat informierten wir uns weiter über die Besonderheiten, die Konflikte und die Chancen des Nordens. Ihren Abschluss fand die Reise beim Unternehmen KSAT, das in Tromsø, auf Spitzbergen und in der Antarktis Satellitenantennen betreibt und so einen wichtigen Beitrag zur Erdbeobachtung liefert. Das Ende der Reise vor Augen entwickelten wir spontan Pläne für die nächste Reise in noch entlegenere Polarregionen.
Organisiert wurde die Reise von Thomas Reintjes und Michael Stang (beide freie Hörfunk-Wissenschaftsjournalisten aus Köln). Wir danken ganz herzlich unseren Sponsoren: Königlich Norwegische Botschaft, Vattenfall, Roland Berger Strategy Consultants, General Electric, Scandinavian Airlines, Icehotel Jukkasjärvi, SJ, Hurtigruten.