Global Player oder Armenhaus?

Recherchereise nach Indien im April 2006

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India everywhere – mit diesem Slogan trat die indische Delegation in diesem Jahr auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos auf. Der Anspruch wurde Wirklichkeit: Die Welt ist im Indien-Rausch. Manager sehen das Land als Alternative zu China, Politiker setzen auf die größte Demokratie der Erde als strategischen Partner in Asien. US-Präsident George Bush möchte das Land gar in den Kreis der offiziellen Atommächte aufnehmen.

Diesen Trend durfte journalists.network natürlich nicht verpassen: Kurz vor dem Deutschland-Besuch von Ministerpräsident Manmohan Singh machten wir uns ein eigenes Bild von der Richtung, in die sich die Supermacht in spe entwickelt – und von den Problemen, die den Aufstieg noch behindern.

indien 003Von der indischen Seite wurden wir mit offenen Armen empfangen: An Einladungen zu Cocktailempfängen und Buffets mit Politikern, Wirtschaftsvertretern und Journalisten hat es unserer Delegation nicht gemangelt. Unser Rekord in Delhi waren Interviews mit drei wichtigen Kabinettsministern an nur einem Tag! Auch die indischen Spitzenunternehmen kleckerten nicht. Indiens größter Industriekonzern Reliance flog uns mit dem Firmenjet nach Jamnagar, wo die größte Erdölraffinerie der Erde entsteht. In Bangalore durften wir den Campus des IT-Unternehmens Infosys besichtigen.

Das Kontrastprogramm zu diesen Highlights waren unser Tag auf dem Land in Maharashtra und unser Besuch in einem Slum in Bombay. Dort fiel es schon bedeutend schwieriger, an Indiens künftigen Weltmachtstatus zu glauben. Das Problem der Armut wird Indien noch lange beschäftigen – und die Globalisierungskritikerin Jayati Ghosh, mit der wir in Delhi sprachen, glaubt nicht, dass die bisherigen Sozialprogramme der Regierung ausreichen werden, um auch die Millionen indischen Bauern an die Moderne heranzuholen.

Die Regierung ist in einem Zwiespalt, wie stark sie die Verlierer der Globalisierung schützen Indien0503 020soll und wie weit sie den Markt für ausländische Unternehmen öffnen soll. Das bekommen auch die multinationalen Konzerne zu spüren, die auf den Zukunftsmarkt streben. Die Liberalisierung, auf die zum Beispiel die deutsche Metro-Gruppe hofft, geht langsamer voran als erwartet. Der britische Erdölkonzern BP überlegt sich gut, in welche Energieprojekte er investiert – noch gibt es im Staatssektor Zweifel an der Rentabilität.

Mit 14 Teilnehmern bereisten wir vom 31. März bis zum 8. April 2006 Delhi, Bangalore und Bombay. Die Reise wurde geleitet von Sabine Muscat (FTD), Sven Hansen (taz) und Hasnain Kazim (Spiegel Online). Wir danken unseren Sponsoren, der India Brand Equity Foundation, der Metro-Gruppe und British Petroleum, für die finanzielle und inhaltliche Unterstützung. Unser weiterer Dank geht an die Hilfe der indischen Botschaft und das Außenministerium bei der Vorbereitung der offiziellen Termine. Und an alle anderen, die sich Zeit für uns genommen haben.