Energie, Infrastruktur und Globalisierung
Recherchereise nach China im November 2005
Chinas Volkswirtschaft wächst in rasantem Tempo. Der Westen ist ratlos und schwankt zwischen Bewunderung und Furcht. Zwar sehen Europa und die USA Marktchancen für ihre Unternehmen, aber zugleich fühlen sie sich bedroht durch die Konkurrenz aus Fernost. Es geht um Anteile auf dem Weltmarkt und um den Zugang zu Ressourcen.
Von China aus gesehen sind die Sorgen andere. Das Land braucht mehr als sieben Prozent Wachstum im Jahr, um Arbeitsplätze für die Riesenbevölkerung zu schaffen und um auch ärmere Regionen in den Aufschwung mit einzubeziehen. Dafür muss die Regierung einen enormen Energiebedarf decken.
Vom 12. bis 22. November 2005 fuhr unsere 14-köpfige China-Truppe tagsüber recherchierend und abends Karaoke singend quer durch das Riesenland und futterte sich dabei durch zahlreiche regionale Küchen.
Kostbare Energie aus Kohle und Schluchten
Wir besuchten die Ostküstenstädte Beijing und Shanghai, wo der Wirtschaftsboom zu Stromknappheit führt. In Peking fragten wir nach, warum DaimlerChrysler jetzt erst mit seiner Mercedes-Produktion startet und besichtigten ein Logistikzentrum der in China erfolgreichen Posttochter DHL. In Shanghai besuchten wir ein Kohlekraftwerk, das Siemens auf internationalen Spitzenstandard gebracht hat. In Westchina sahen wir uns an, wo die Energie herkommt. Zwei Tage fuhren wir mit dem Schiff durch die fünfstufige Schleuse des heftig umstrittenen Drei-Schluchten-Staudamms am Yangtse, dessen erste Stufe bereits fertig gestellt ist.
Der Staatskonzern Dongfang in Chengdu freut sich über das Dammprojekt, der ihm Milliardenaufträge für den Bau von Turbinen eingebracht hat – sowie die Technologie seiner ausländischen Konsortium-Partner. Die Millionenstadt Chongqing hofft auf schnellen Anschluss an die Weltwirtschaft, denn nach Fertigstellung des Damms soll der Yangtse auch für große Schiffe befahrbar werden. Dann hätte Chongqing eine direkte Verkehrsverbindung ins 2000 Kilometer entfernte Shanghai, dem es auch städtebaulich nacheifert.
Schöner Wohnen mit Alsterblick
In Shanghai wurde der Städtebau bereits ausgelagert: Die Stadtverwaltung hat den Bau von Satellitenstädten in Auftrag gegeben, die eine weitere Expansion der Metropole auffangen sollen. Wir besichtigten vor ihrer Fertigstellung die neue Stadt Lingang, die das Hamburger Architektenbüro von Gerkan, Marg und Partner entworfen hat – inklusive einer Kopie der Alster, die in Shanghai allerdings reichlich groß ausgefallen ist.
Dass in China oft alles eine Nummer größer– und auch bunter und schriller – ist als zu Hause, wurde gleich am ersten Abend bei einem Empfang im Nationalen Volkskongress deutlich, in Chinas Parlamentsgebäude auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Auf welche Weise journalists.network in den Genuss des opulenten Galadiners im Kreise chinesischer Unternehmer, Funktionäre und mehr oder weniger bekannter Künstler kam, soll unser Geheimnis bleiben. Sagen wir einfach, es waren „guanxi“ – chinesisch für Vitamin B.