„Keine Geschichte ist es wert, dafür in Stücke geschnitten zu werden.“
Erfahrungsaustausch mit Michael Obert im Dezember 2011

Foto: Klaus Heymach
Der Reporter Michael Obert („Weltränder“, „Gesichter des Islam“) hat den Niger von der Quelle bis zur Mündung befahren, er hat Island bereist, Botswana, Neuguina und Afghanistan. Im Frühjahr hat der 45-Jährige die Revolution in Ägypten miterlebt, anschließend ist er nach Somalia weitergereist. Zuletzt recherchierte der Buchautor und Journalist in Zentralafrika.
Beim Gespräch im Dezember 2011 in der Berliner Orient Lounge erzählte Obert davon, wie er solche Reisen plant und wie er vor Ort recherchiert, von Reißbrett-Aufträge aus den Redaktionen, den Kosten für einen Fixer in Somalia und seinem geplanten Kino-Dokumentarfilm über einen weißen Pygmäen. Weiterlesen …
Atemlos in Indien: Unterwegs im Land der ungeahnten Möglichkeiten
Recherchereise nach Indien im November/Dezember 2011
Text: Jürgen Webermann

Foto: Thomas Reintjes
Selig lächelnd sitzt Sri Sri Ravi Shankar auf seinem thronähnlichen Sessel. Der kleine Mann in weißem Gewand und mit langem, schwarzen Bart hat sich Zeit für uns genommen, geduldig lässt er sich fotografieren, und auch die kleinen Mikrofone stören ihn nicht. Wie auch? Sri Sri steht über den Dingen, er ist ein Guru. Und in seinem Audienzsaal, einem kreisrunden Gebäude, seinem Status entsprechend auf einem Hügel gebaut, versprüht Ravi Shankar seine ganz eigene Aura. Jede noch so kritische Frage, etwa nach den enormen Geldquellen für seinen Ashram und seine „Art of Living Foundation“ lächelt er einfach weg. Und wer nach dieser halben Stunde noch an Sri Sri zweifelt, ist spätestens danach verzückt – die schlauen Helfer des Guru haben medienwirksam zwei Elefanten vor dem Eingang des Saals platziert, die jetzt mit Bananen gefüttert werden können.
Als ob Indien nicht schon farbenfroh, verrückt, hektisch, anders genug ist. Nach mehr als einer Woche voll mit Hintergrundgesprächen, Treffen mit Managern, Autofahrten durchs nächtliche Rajasthan, Diskussionen mit 60 Landwirten, Mittagessen mit IT-Experten, Interviews mit Autobauern sowie Bankanalysten, verschiedenen Magenproblemen (die berüchtigten „Delhi-Bellies“) und wenig Schlaf bietet der „field trip“ in den Ashram von Sri Sri Ravi Shankar in der Nähe von Bangalore noch einmal ganz andere Eindrücke. Weiterlesen …
Der steinige Weg zur Meinungsfreiheit
Afghanische Journalisten diskutieren mit deutschen Kollegen
Text: Stephanie Lob – Fotos: Dirk Liesemer

„Die Mullahs haben immer noch ein größeres Publikum als alle afghanischen Medien.“ Das sagt Shahir Zahine, Präsident der Killid Media Group, die in Afghanistan fünf Radiosender und zwei Wochenmagazine betreibt. Die Aussage mag zugespitzt sein, aber sie verdeutlicht das Problem: Auch zehn Jahre nach dem Sturz der Taliban kämpfen Journalisten am Hindukusch noch immer um die Meinungshoheit. Über den steinigen Weg hin zu einer Mediendemokratie diskutierten am 30. November und 1. Dezember 2011 in Bonn fünf afghanische und neun deutsche Journalisten auf Einladung von journalists.network, dem Entwicklungshilfe-Dachverband VENRO und dem freien ARD-Autor und Afghanistan-Korrespondenten Martin Gerner, der die Veranstaltung auch moderierte. Weiterlesen …
Arabische Frühlingsgefühle zehn Monate nach der Revolution
Recherchereise im November 2011 nach Tunesien
Text: Monika Bolliger – Fotos: Dirk Liesemer

Auf der Avenue Bourguiba in Tunis, von der Anfang des Jahres Bilder protestierender Tunesier um die Welt gingen, ist Ruhe eingekehrt. Der Alltag nimmt seinen Lauf, nur der Stacheldraht vor öffentlichen Gebäuden erinnert an die Ereignisse vom Januar, als die Tunesier ihren langjährigen Diktator Zine al-Abidine Ben Ali in die Flucht trieben. Der Reiseleiter und Deutschlehrer Mouldi Hammami lässt die Ereignisse der Revolution Revue passieren, als er uns von der Avenue Bourguiba zur Place de la Kasbah führt. Hier blättern inzwischen die Wahlplakate von den Mauern ab. Die unter Ben Ali verbotene islamistische Partei an-Nahda hat bei den ersten freien Wahlen seit der Unabhängigkeit 41 Prozent der Sitze erhalten und damit bei den Wahlen in die verfassunggebende Versammlung weitaus am besten abgeschnitten. Und nun fragen sich viele, ob eine islamistische Partei, die eine Demokratie auf der Basis eines republikanischen Rechtsstaates aufzubauen gedenkt, nicht ein Widerspruch in sich selbst ist. Weiterlesen …
Ninjas in der Steppe und Sehnsucht nach Hackepeter
Recherchereise in die Mongolei im September 2011
Text und Fotos: Max Kuball

Es war ein langer Weg: Nach vielen Monaten der Planung landeten acht deutsche Journalisten Mitte September 2011 auf dem Flughafen von Ulaanbaatar in der fernen Mongolei. Über den Sommer hatte es mehrfach so ausgesehen, als würde die Reise am Finanziellen scheitern, die Suche nach Förderern war kompliziert und langwierig. Doch bekanntlich wird Hartnäckigkeit am Ende ja belohnt und so verlebte die Gruppe zehn intensive, lehrreiche und fröhliche Tage in der Mongolei. Weiterlesen …
E-Mail vom Zensor
journalists.network-Alumni bei Hamburger Medien-Konferenz

Foto: Markus Wierz
Internet, Chinternet oder Chintranet? Wie schafft es die chinesische Führung, 450 Millionen Usern auf die Finger zu schauen? Wie zensiert fühlen sich die Chinesen? Und was hat es mit der berüchtigten 5-Cent-Partei auf sich? Antworten fanden die Teilnehmer der netzwerk-recherche-Medienkonferenz im Juli 2011 bei einem der von journalists.network angebotenen Experten-Panels.
Adrienne Woltersdorf, Leiterin der China-Redaktion der Deutschen Welle, Beirat und langjährige Reiseorganisatorin bei journalists.network, gab aufschlussreiche und kritische Einblicke in das chinesische Zensur-System. Sie berichtete von bezahlten Bloggern, die auf Zuruf das chinesische Netz mit regierungsfreundlichen Nachrichten überschwemmen, von den Spitzel-Methoden eines Hightech-Staates, der missliebiges Verhalten zunächst mit drohenden Mails ahndet und seinen Kritikern schließlich den Online-Zugang blockiert. Weiterlesen …
100 Jahre Republik China zwischen Unabhängigkeit und Versöhnung
Hintergrundgespräch mit Wu-lien Wei, Repräsentant Taipehs, im Mai 2011

Die Republik China hat ihren 100. Geburtstag gefeiert. Ihre Anhänger regieren seit mehr als fünfzig Jahren jedoch nur die Insel Taiwan. Sie mussten 1949 vor den Truppen der Volksrepublik auf das Eiland fliehen. Präsident Ma setzt auf einen „Wandel durch Versöhnung“ mit Peking. Mehr als 1,6 Millionen Chinesen besuchen jährlich die Insel. Direkte Gespräche zwischen Taiwan und China gibt es bis heute nicht. Zwei Stiftungen sollen für den Wandel sorgen. Sie verhandeln Abkommen über Postverkehr, Lebensmittelsicherheit, Flugverkehr oder Rechtshilfe.
„Unsere Politik läuft auf einen Erhalt des Status quo heraus“, erklärte am 16. Mai 2011 Wu-lien Wei, Repräsentant der Republik China, bei einem Gespräch mit journalists.network in der Berliner Taipeh Vertretung. Es sei eine Politik der drei Neins: keine Wiedervereinigung, keine Unabhängigkeit, keine militärische Gewalt. Dafür machen sich die Vertreter der Republik China auch im Deutschen Bundestag stark. „Wir haben rund 60 befreundete Abgeordnete“, erzählt Wei. Weiterlesen …
Dinks Erbe: Aufklärung und Dialog
Hintergrundgespräch mit Rakel Dink, Witwe von Hrant Dink, im Januar 2011

Foto: Klaus Heymach
Vier Jahre ist es her, dass Hrant Dink auf offener Straße in Istanbul erschossen worden ist. Aus diesen Anlass hat journalists.network im Januar 2011 zu einem Hintergrundgespräch mit der Witwe des armenischen Journalisten, Rakel Dink, geladen. Im voll besetzten Konferenzraum des ARD-Hauptstadtstudios ging es um das Türkentum, die Geschichte und den mühsamen Kampf für Annäherung und Veränderung.
Rakel Dink machte aus ihrer Enttäuschung über die türkische Justiz keinen Hehl. Der zu Ende gehende Prozess gegen die Mörder ihres Mannes bringe kaum Klarheit, klagte die 51-Jährige. Nur so viel: Die Behörden hätten von den Attentatsplänen gewusst und die Hintermänner gedeckt. Die tödlichen Schüsse seien nur der Schlusspunkt einer jahrelangen Einschüchterungskampagne gewesen. Ganz im Sinne ihres ermordeten Mannes wollte die Vorsitzende der internationalen Hrant-Dink-Stiftung jedoch „nicht über die Toten, sondern über die Lebenden“ sprechen. Sie wolle den „Menschen ins Gewissen reden“, sagte Rakel Dink. Weiterlesen …
Erst Wachstum, dann Demokratie?
Recherchereise nach Ruanda im Januar 2011
Text: Nicole Basel – Fotos: Philipp Lichterbeck

In Ruanda erzählt man sich gerne einen Witz: „Wer bei uns etwas werden will“, heißt es da, „der muss entweder eine Frau sein oder ein Gorilla.“ Warum das witzig ist? Weil es absurd klingt. Und weil es stimmt. Die wilden Berggorillas sind Ruandas größte Touristenattraktion und drittgrößte Einnahmequelle. Und die Frauen? Die brauchen die acht Journalisten, die im Januar 2011 durch das Land reisten, nicht lange zu suchen. Erfolgreiche Frauen gibt es dort überall.
Der Bürgermeister der Hauptstadt Kigali: eine Frau. Auf ihrem Stellvertreterposten: eine Frau. An der Spitze einer expandierenden Ziegelfabrik, in der Führung des Landwirtschaftsministeriums, auf den vielen Baustellen des Landes, in der Leitung einer Handwerkskooperative, auf mehr als der Hälfte der Sitze des Parlaments… – Frauen, Frauen, Frauen. Wohin man auch kommt. Sie verblüffen genauso wie der grenzenlose Optimismus der Ruander. Vielleicht rührt er daher, dass man in einem Land, in dem eine Million Menschen während eines bestialischen Völkermords getötet wurden, gar nicht zurück blicken möchte. Vielleicht kommt er aber auch daher, dass sich in Ruanda wirklich etwas tut. Weiterlesen …
Besuch beim „unbekannten Nachbarn“
Recherchereise nach Moldau im Dezember 2010
Text: Pauline Tillmann – Fotos: Pauline Tillmann & Max Kuball

Arm gegen reich, Russland gegen den Westen, transnistrischer Geheimdienst gegen friedliche Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – Konflikte gibt es in dem kleinen Land zwischen der Ukraine und Rumänien genug. Also genau das Richtige für Journalisten. Trotzdem wissen auch gestandene Auslandsreporter kaum, ob es nun Moldawien oder Moldau heißt, wie man den Namen der Hauptstadt richtig ausspricht und wie das mit Transnistrien nun genau war. „Moldau – der unbekannte Nachbar“, lautete daher Ende November die treffende Überschrift der letzten Reise von journalists.network 2010. Eine Woche lang hatten die 15 Teilnehmer und Organisatoren Zeit, das Land zu erkunden – auf das Programme, Zeitungen und Nachrichtenticker bald voll sein würden von erhellenden Reportagen, Features und Hintergrundstücken. Die Organisatoren Pauline Tillmann und Oliver Bilger haben ein umfassendes Programm auf die Beine gestellt, das sich im Nachhinein wie ein klassisches Drama in fünf Akten liest. Weiterlesen …