Flüchtlinge, Öl und Säbelrasseln
Alumni-Recherchereise nach Aserbaidschan im Juni 2010
Fotos: Klaus Heymach
Orientalisch? Post-sowjetisch? Pulverfass oder Stabilitätsanker? Mitte Juni ging eine Gruppe jn-Alumni im Südkaukasus auf Spurensuche. Und stieß dabei auf überzeugte Europäer und enttäuschte Dissidenten, verzweifelte Flüchtlinge und stolze Militärs, Blogger und Minister. „Wir sind ein Teil von Europa“, zeigte sich der Chef des staatlichen Oil Funds in Baku überzeugt. Als Beleg führt der 38-jährige Shahmar Movsumov seine Arbeit an: Der Gewinn aus jedem Barrel Öl werde dokumentiert, Korruption gebe es nur noch in der Wahrnehmung mancher westlicher Beobachter. Gegen Vetternwirtschaft und Ressourcenfluch arbeitet Movsumov in einem auf frostige Grade heruntergekühlten Neubau aus dunklem Marmor, gegenüber haben italienische Luxusboutiquen eröffnet. Europa am Kaspischen Meer. Beim Eurovision Song Contest, freut sich Movsumov, sei sein Land wieder in der Top Ten gelandet.
Im Fokus der Alumni-Reise stand neben Öl und Gas der Konflikt um das von Armeniern besetzte Bergkarabach. Seit bald 20 Jahren leben noch immer Hunderttausende aserbaidschanische Flüchtlinge und Vertriebene unter erbärmlichen Bedingungen. „Wenn man uns lässt, gehen wir selbst kämpfen“, rief eine verzweifelte Bäuerin Flüchtlingslager, die in ihre Heimat zurück will.
Der Politikwissenschaftler Hikmat Hajizade, dessen bloggender Sohn seit einem Jahr in Haft sitzt, hat eine einfache Formel für den Frieden: Armenien müsse sich unabhängig machen von seiner Schutzmacht Russland, Aserbaidschan demokratisch werden. Dann werde Armenier und Aserbaidschaner nichts mehr daran hindern, friedlich in Bergkarabach zusammenzuleben.
Doch was ist die Zukunft der Demokratie – nachdem Staatsoberhaupt Ilham Alijev in einem umstrittenen Referendum vergangenes Jahr jede zeitliche Beschränkung für das Präsidentenamt aufheben ließ? „Das hat allen die Augen geöffnet“, zeigte sich Hajizade überzeugt. Ein über Facebook und Twitter verbundenes Jungendnetzwerk will jetzt an glorreiche Traditionen aus der Vergangenheit anknüpfen: In den zwei Jahren von 1918 bis 1920 war Aserbaidschan die erste parlamentarisch-demokratische Republik in der ganzen muslimischen Welt.
Die Alumni-Reise wurde organisiert und begleitet von Tobias Asmuth, freier Journalist in Berlin. Gefördert wurde die Reise von der European-Azerbaijan-Society in London sowie der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, denen wir für ihre Unterstützung sehr danken.