E-Mail vom Zensor
journalists.network-Alumni bei Hamburger Medien-Konferenz
Internet, Chinternet oder Chintranet? Wie schafft es die chinesische Führung, 450 Millionen Usern auf die Finger zu schauen? Wie zensiert fühlen sich die Chinesen? Und was hat es mit der berüchtigten 5-Cent-Partei auf sich? Antworten fanden die Teilnehmer der netzwerk-recherche-Medienkonferenz im Juli 2011 bei einem der von journalists.network angebotenen Experten-Panels.
Adrienne Woltersdorf, Leiterin der China-Redaktion der Deutschen Welle, Beirat und langjährige Reiseorganisatorin bei journalists.network, gab aufschlussreiche und kritische Einblicke in das chinesische Zensur-System. Sie berichtete von bezahlten Bloggern, die auf Zuruf das chinesische Netz mit regierungsfreundlichen Nachrichten überschwemmen, von den Spitzel-Methoden eines Hightech-Staates, der missliebiges Verhalten zunächst mit drohenden Mails ahndet und seinen Kritikern schließlich den Online-Zugang blockiert. Woltersdorf stellte klar: Das Know-how hat sich China mit Unterstützung amerikanischer und europäischer Firmen erworben. Und es ist längst ein Exportschlager in autokratische Regime von Pjöngjang über Teheran bis Damaskus.
Um Zugangsbeschränkungen ganz anderer Art ging es in der Diskussionsrunde mit dem Korrespondenten und Autor Cem Sey. Sey, der ebenfalls zahlreiche Reisen für journalists.network organisiert hat, ging bei der zweitägigen Konferenz in Hamburg der Frage nach, warum noch immer nur so wenige Migrantinnen und Migranten den Einstieg in die Redaktionen der deutschen Medien schaffen, obwohl inzwischen die vierte Migranten-Generation in die Arbeitswelt drängt.
Leidenschaftliche Diskussionen provozierte bei der Journalisten-Konferenz auch das Thema Israel. Der Spiegel-Korrespondent und frühere journalists.network-Vorsitzende Christoph Schult wollte wissen: Haben die arabischen Revolutionsbewegungen in Nordafrika Israels Monopol als „einzige Demokratie Im Nahen Osten“ zerstört? Seine Gesprächspartner – der israelische Korrespondent Eldad Beck und NDR-Reporter Stefan Buchen – vertraten in ihrer Einschätzung recht unterschiedliche Meinungen.
Einig waren sie sich allerdings in einem Punkt: die deutsche Nahost-Berichterstattung hat Defizite: „Die deutschen Medien berichten längst nicht objektiv über den Nahen Osten“, kritisierte Beck. Und Buchen fand Besorgnis erregende Anhaltspunkte dafür, dass die politische Klasse und die Medien in Deutschland blind für die Entwicklungen und Konflikte in den arabischen Staaten waren, die zu den Umwälzungen im Frühjahr 2011 geführt haben.
journalists.network ist seit diesem Jahr Partner der hochkarätig besetzten Tagung, zu der am 1. und 2. Juli rund 700 Journalistinnen und Journalisten ins Hamburger NDR-Konferenzzentrum kamen.